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Charité-Verwaltungsdirektion

Vorwort: Das Findbuch wurde 1966 durch den damaligen Archivleiter, Herrn Kossack, erstellt. Die nachstehende einleitende Darstellung beschränkt sich in erster Linie auf verwaltungsgeschichtliche Aspekte, wobei es sich bei dem vorliegenden Bestand speziell um die Verwaltungs-Direktion des Charité-Krankenhauses handelt. Nach der Gründung der Anstalt 1710, die zunächst als Pest-Krankenhaus dienen sollte, dann jedoch, da Berlin von der Pest verschont blieb, als Arbeitshaus und Garnison-Lazarett diente, unterstand diese der Preußischen Armen-Direktion. Durch die Kabinetts-Order des Königs Friedrich Wilhelm I. vom 8. November 1726 wurde die Einrichtung nach dem Plan des ersten Inspektors Christian Habermass zu einem Bürger-Lazarett erweitert. 1798 wurde neben der Armen-Direktion das Ober-Kollegium Medicum in die Aufsicht über die Charité einbezogen. Durch die Maßnahme sollte die medizinische Betreuung und der klinische Unterricht verbessert werden, da die Armen-Direktion nur aus der Sicht der Verwaltung die Aufsicht führte. Im Vordergrund stand von Anfang an die Ausbildung von Militärärzten für das preußische Heer. Infolge der Einführung der Steinschen Reformen war für die beiden vorgesetzten Behörden kein Raum mehr. 1816 erfolgte die Unterstellung unter die Regierung Berlin, die als Mittelbehörde zum Bereich des Ministeriums des Innern gehörte. Nach Auflösung der Regierung Berlin ging die Aufsicht auf den Polizei-Präsidenten in Berlin über. Es wurden verschiedene Reformen durchgeführt, die die inneren Verhältnisse der Charité als Lehr- und Heilanstalt betrafen. Durch das Regulativ vom 7. September 1830 wurde ein "Königliches Kuratorium für die Krankenhaus-Angelegenheiten" geschaffen, das dem Ministerium für die geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten nachgeordnet war. Dieses Kuratorium übte als Mittelbehörde von nun an die Aufsicht über die Charité, sowohl in administrativer Hinsicht, als auch hinsichtlich der klinischen Tätigkeit aus. Das Kuratorium bestand aus einem Präsidenten und sechs weiteren Mitgliedern. Präsident war der Geheime Obermedizinalrat Prof. Dr. Johann Nepomuk Rust. Rust, der selbst Direktor des chirurgischen und ophtalmologischen Klinikums der Charité war, übte eine für die Charité bedeutende Tätigkeit aus. Die Direktion in der Charité wurde von Anfang an durch einen Arzt und in Verwaltungs-Angelegenheiten durch einen Oberinspektor ausgeübt. 1846 wurde die Leitung der Anstalt einem Offizier, dem Major Hirsch, übertragen, während der Oberinspektor Carl Heinrich Esse für die Verwaltungs-Angelegenheiten verantwortlich war. Damit endete die Aufsicht des Kuratoriums für die Krankenhaus-Angelegenheiten über die Charité. Die Auflösung des Kuratoriums erfolgte Anfang des Jahres 1848. Das Charité-Krankenhaus unterstand nunmehr unmittelbar der Aufsicht des Ministeriums für die geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Eine "Instruktion für die Direktion des Kgl. Charité-Krankenhauses vom 3. Mai 1846" regelte die rechtliche Stellung und die Aufgaben des Direktors. Eine "Instruktion für die Charité-Direktion zu Berlin" vom 30. März 1850, die vom Ministerium für die geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten erlassen wurde, fixierte die rechtliche Stellung und die Aufgaben der Charité-Direktion. Nach dem Ausscheiden Hirschs 1849 wurde eine Direktion, bestehend aus einem ärztlichen Direktor und einem Verwaltungsdirektor, eingesetzt. Diese Anweisung von 1850 ist bis 1929 in Kraft geblieben. Danach waren die beiden Direktoren rechtlich einander gleichgestellt und hatten die dem bisherigen Kuratorium zustehenden Aufgaben zu erfüllen. Die der Charité-Direktion übertragenen Befugnisse entsprachen denen der Regierungen nach den Instruktionen vom 23. Oktober 1817 und 31. Dezember 1825. Eine Kabinetts-Order vom 6. Januar 1904 bestimmte, dass die Stelle des ärztlichen Direktors stets mit einem höheren Militärarzt besetzt werden sollte. Mit dem Ausscheiden des letzten ärztlichen Direktors am 1. Oktober 1929 wurde diese Stelle nicht wieder besetzt. Das war Anlass, dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung den Entwurf einer neuen Dienstanweisung für den Verwaltungsdirektor vorzulegen. Danach wurde die Charité als "eine selbständige, unter Staatsverwaltung stehende, öffentlich-rechtliche Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit" bezeichnet. Der gesetzliche Vertreter war der Verwaltungsdirektor beim Charité-Krankenhaus. Seine Aufgaben umfassten die "Fürsorge für die Charité, die unmittelbare Ausführung der sie betreffenden Verwaltungs-Geschäfte, die Aufsicht über die wirtschaftlichen und technischen Betriebe, die Leitung ihrer Vermögens- und Kassenverwaltung, sowie überhaupt die Wahrung ihrer Gerechtsame und die Pflege und Förderung ihres inneren und äußeren Bestandes". Es konnte nicht festgestellt werden, ob diese Dienstanweisung in Kraft getreten ist. Die Durchsicht der einschlägigen Verwaltungsakten des Bestandes hat jedoch ergeben, dass nach dem Entwurf der Dienstanweisung bis 1945 verfahren worden ist. Nach einer Übersicht über die in der Verwaltungs-Direktion vorhandenen Arbeitsgebiete aus dem Jahr 1931 waren folgende Sachgebiete vorhanden: - Büro-Leitung - Kalkulatur - Kasse - General-Registratur - Kurkosten-Büro - Aufnahme und Krankenvernehmung - Küsterei - Kanzlei - Fernsprech-Zentrale - Küchen-Verwaltung - Hausverwaltung - Wasch-Anstalt - Inspektionen - Betriebs-Inspektion Der Geschäfts-Verteilungsplan vom 1. November 1937 weist 37 Sachgebiete aus mit 35 Beamten und 50 Angestellten. In den folgenden Jahren ist kein neuer Geschäfts-Verteilungsplan mehr aufgestellt worden. (Vgl. Geschäfts-Verteilungsplan der Charité-Direktion v. 1.11.1937 in: Charité-Direktion Nr. 2168 - Geschäftsgang der Charité). Registratur- und Bestandsgeschichte: I. Registraturverhältnisse: Die Registratur der Charité-Direktion entspricht in ihrer Anlage und Führung den älteren Behörden-Registraturen. Die Aktentitel entsprechen dem Akteninhalt. Bis zur Einführung der Steh-Ordner-Registratur und des neuen Aktenplanes nach der Dezimal-Klassifikation Ende 1932 blieb die Registraturführung unverändert. Es bestanden Hauptgruppen, gekennzeichnet mit römischen Zahlen. Die weitere Untergliederung (arabische Ziffer) bezeichnete die Sachgruppe und die 3. Ziffer die Akteneinheit (Bsp.: I.1.Nr.4). Die verwaltungsmäßige Unterstellung des Charité-Krankenhauses unter 4 verschiedene Mittelbehörden (ab 1727 Armen-Direktion, 1817 Regierung Berlin, 1822 Polizei-Präsidium Berlin, 1830 -1846 Kuratorium für die Krankenhaus-Angelegenheiten, ab 1846 Ministerium für die geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten unmittelbar) wirkte sich auch auf die Registraturverhältnisse aus. So wurden die über die Charité geführten Akten der einzelnen vorgesetzten Behörden jeweils nach dem Wechsel des Unterstellungsverhältnisses der Registratur der Charité-Direktion eingefügt und dort weitergeführt. Die Akten, die bei der Charité-Direktion nicht weitergeführt wurden, wurden im Bestand belassen, um den historischen Zusammenhang nicht zu zerreißen. Das zuständige Staatsarchiv ist dazu angehört worden und hat seine Zustimmung erteilt. Durch Einführung des neuen Aktenplans Ende 1932 sind zwei Registraturschichten entstanden, so dass nach § 62 OVG eine Trennung beider Registraturschichten vorgenommen wurde unter Weiterführung der Archiv-Signaturen. Eine Ineinanderarbeitung nach § 63 OVG war nicht gegeben. Der neue Aktenplan war vierziffrig (arabische Ziffern) und wurde auch in den Jahren nach 1945 zunächst beibehalten. II. Zugang: Der Bestand befand sich vor der Übernahme im Verwaltungsgebäude der Medizinischen Fakultät (Charité). Eine Vorordnung nach den Registratur-Signaturen war bereits erfolgt. Um die archivische Erschließung vornehmen zu können und eine kontrollierte Benutzung zu erreichen, war die Überführung des Bestandes in das Universitätsarchiv notwendig. Die Übernahme erfolgte im Frühjahr 1961. Im Archiv musste eine nochmalige Ordnung nach den Registratur-Signaturen vorgenommen werden, die im Herbst 1961 erfolgte. Zum Bestand gehören auch ca. 500 Aufnahmebücher/Rezeptionsbücher aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts bis Ende des 19. Jahrhunderts, die getrennt gelagert werden und nicht in das Findbuch aufgenommen wurden.. III. Archivische Bearbeitung: Nach Abschluss der Ordnungsarbeiten wurde 1963 mit der Verzeichnung begonnen. Die Akteneinheiten wurden einzeln verzeichnet. Es wurde die "erweiterte Verzeichnung" (§ 87 OVG) angewandt. Bei der inneren Ordnung wurde die bestehende Registratur-Ordnung zugrunde gelegt, da diese während der Tätigkeit des Registraturbildners unverändert erhalten geblieben ist (§ 61 OVG). Eine Neuordnung war deshalb nicht notwendig (§ 65 - 68 OVG). Bei der Bestandsbildung wurde nach § 49 OVG verfahren, da die Anzahl der in die Registratur übernommenen Akten der Armen-Direktion, der Regierung Berlin, des Polizeipräsidiums und des Kuratoriums für Krankenhaus-Angelegenheiten, die nicht weitergeführt wurden, von sehr geringem Umfang ist. Trotz der beiden vorhandenen Registraturschichten wurde eine durchgehende Verzeichnung des Bestandes vorgenommen. Die Verzeichnung wurde in den Jahren 1963 - 1965 durch den damaligen Leiter des Universitätsarchivs, Herrn Kossack, vorgenommen. Zitierweise: HU UA, Charité-Verwaltungsdirektion.01, Nr. XXX. HU UA, ChVD.01, Nr. XXX.

Heylsche Lederwerke Liebenau (Bestand)
Stadtarchiv Worms, 180/01 · Bestand
Teil von Stadtarchiv Worms (Archivtektonik)

Bestandsbeschreibung: Abt. 180/1 Heylsche Lederwerke Liebenau Umfang: 260 Archivkartons u. 7 lfm Bücher/stehend (= 1104 Verzeichnungseinheiten = 40 lfm) Laufzeit: 1879 - 1975 Übernahme, Geschichte des Bestandes Abt. 180/1 umfasst das vollständigste Firmenarchiv innerhalb der Archivbestände des Stadtarchivs Worms. Es steht stellvertretend für die Entwicklung der Wormser Lederindustrie vor allem im Zeitraum von. ca. 1922 bis zum Ende der Produktion nach ihrer Einstellung im Werk in Worms-Neuhausen 1974. Kriegsverluste sind keine festzustellen, Kassationen des Materials, von denen im Einzelnen nichts bekannt ist, hielten sich offenbar in Grenzen. Der zunächst (bis zur Umsignierung 1996) als Abt. 169 firmierende Bestand wurde nach dem Ende der Produktion im Werk Liebenau (Neuhausen, Bereich Kurfürstenstraße, heute befinden sich dort Werkstätten und Verwaltung der Lebenshilfe Worms) in Absprache mit Herrn Ludwig Frhr. v. Heyl, geb. 1920, im Jahre 1974 durch das Stadtarchiv Worms übernommen. Es lagerte bis 2008 in stehender Aufstellung (überwiegend Aktenordner, vgl. Abb.) im Dienstgebäude Adenauerring, Oberer Keller im Umfang von 49 lfm. Bei der Auswahl der Akten zur Abgabe an das Archiv wurde ein erheblicher Teil der auch das Werk betreffenden Unterlagen (diese sind ihrerseits mit Familienarchivalien von Heyl vermengt) von den dem Archiv übergebenen Teilen getrennt; dieser Teil kam im Jahre 1997 als Abt. 185 in das Stadtarchiv. Letztgenannter, sehr reicher und umfänglicher Bestand wird seit 2007 neu verzeichnet und enthält sowohl Firmen- als auch Privatunterlagen der Familie von Heyl. Der Bestand ist zur Ergänzung des hier vorhandenen Quellenmaterials unbedingt heranzuziehen (vgl. künftig das Findbuchvorwort). Der Archivbestand Abt. 180/1 wies bei seiner Übergabe keine klare innere Struktur auf und wurde erstmals 1993/94 durch den Studenten Herrn Burkhard Herd zur Vorbereitung seiner 1994 an der Universität Mannheim entstandenen Diplomarbeit über die Lederindustrie von 1933 bis 1945 (am Beispiel von Heyl-Liebenau) grob bzw. vorläufig erschlossen. Herd nummerierte die Ordner und Hefter (ca.650 Einheiten) und gab sie (ohne Laufzeiten und nähere Erfassung gemäß den i.d.R. vorhandenen Rückentiteln) in eine alphabetische Themenliste ein, die mit zwölf Seiten einen sehr komprimierten ersten Eindruck des Materials zu vermitteln vermochte. Herds anschließend angefertigte (masch. 144 S.) Arbeit umfasst eine partielle Auswertung für Fragen der NS-Wirtschaftsgeschichte am Beispiel der Lederindustrie. In dieser Form war der Bestand stets nur sehr begrenzt zu benutzen. Zuletzt 1993 hat Volker Brecher die Unterlagen für seine Studie über die Arbeitsbedingungen der Lederindustrie im Zweiten Weltkrieg wie auch für die Frage nach dem Einsatz von Zwangsarbeitern ausgewertet, 2007 legte Christoph Hartmann eine Analyse ausgewählter Aspekte der Firmenentwicklung in den 20er Jahren vor. Davon abgesehen blieb der Wert des reichen Quellenmaterials für die Wormser Wirtschaftsgeschichte und die gesamte Entwicklung der Lederindustrie auch überregional wegen der faktisch fehlenden Erschließung bis heute ungenutzt. Verzeichnung: Gliederung bzw. Klassifikation Von Dezember 2007 bis Ende Februar 2009 wurde der gesamte Bestand durch den Unterzeichner vollständig verzeichnet und in ‚Augias’ eingegeben. Dabei wurde eine Klassifikation erarbeitet, mit der versucht wird, den wesentlichen Überlieferungsbesonderheiten und Strukturen des Materials Rechnung zu tragen. Das Material wurde sukzessive in das Raschi-Haus verbracht und ist größtenteils hier eingelagert. Die Klassifikation stößt dort an ihre Grenzen, wo (wie sehr häufig) die Unterlagen familiär-private Angelegenheiten mit Firmenbelangen vermengen, wo Auslandsgeschäft und Inlandstätigkeit miteinander verschränkt sind (dies gilt für den gesamten Bereich der Korrespondenz) und ähnliches. Relativ klare Abgrenzungen gibt es im Bereich Personal sowie der Tätigkeit des Firmenchefs in Gremien, Kammern und Verbänden seit 1942 bzw. 1949. Inhaltliche Schwerpunkte und Bedeutung Die Unterlagen teilen sich etwa zur Hälfte auf die Zeit vor und nach 1945 auf; es gab wohl keine Kriegsverluste. Der Wert des Bestandes für die wirtschaftsgeschichtliche Forschung ist sehr hoch zu veranschlagen. Zeitlich liegt der Schwerpunkt zwischen vor allem 1922/23 (Selbständigkeit des Betriebs) und 1962 (Ableben Ludwig C. v. Heyl sen.) bzw. dem Ende der Produktion 1974. Am Ende der 60er Jahre beschäftigte das Werk noch ca. 400 Menschen. Die Heyl’schen Lederwerke Liebenau in Neuhausen wurden 1901 von Cornelius Wilhelm v. Heyl durch Erwerb der Aktien übernommen und in das Heyl’sche Gesamtunternehmen eingegliedert. Die seit dem Ende des 19. Jh. bestehende Ziegenlederfabrik (vormalig Schlösser & Cie.AG, gegr. 1869 durch den Wormser Fabrikanten L. Schlösser) wurde nach der Aufteilung der Heyl’schen Lederwerke im Testament von Cornelius Wilhelm Freiherr v. Heyl zu Herrnsheim 1922/23 (+ Sept. 1923 Pfauenmoos) auf die beiden Söhne Cornelius (erhielt die Cornelius Heyl AG, Werk Speyerbenn bzw. Speyerer Schlag im Süden von Worms, 1874-1954) und Ludwig C. v. Heyl (1886-1962) dem jüngeren Sohn übertragen und als eigenes Werk begründet ("Heylsche Lederwerke Liebenau, vormals Cornelius Heyl Werk Liebenau", bestand als GmbH); L. v. Heyl war bereits seit 1912 für das Werk verantwortlich. Mittels Allianzverträgen (v.a. 1936) wurden die jeweiligen Produkte und Vertriebswege abgesprochen, wobei das Verhältnis zur Schwesterfirma bis nach 1945 angespannt blieb, was sich auch im Material abzeichnet. Maßgebliche Persönlichkeit blieb bis zu seinem Ausscheiden 1932 der Generaldirektor Otto Bonhard, gest. Anfang 1933. Mit der faktischen Selbständigkeit unter Führung des auch politisch aktiven Ludwig C. v.Heyl (DVP, zeitweilig Hessischer Landtag, bis 1930 und kurze Zeit nach 1945 Stadtverordneter bzw. Stadtratsmitglied, 1945 Stadtältester wegen politischer Nichtbelastung durch die NS-Zeit) ab 1922/23 setzt die Überlieferung im Wesentlichen ein. Bis 1942 betrifft die Hauptmasse der Unterlagen die Geschäftsführung, vielfach Korrespondenz, Reiseberichte und Fragen des ausgeprägten betrieblichen Sozial- und Gemeinschaftslebens. Die Unterlagen spiegeln die Bedeutung der ausländischen Geschäftsverbindungen (USA-Reisen L. v. Heyl, Reiseberichte etc.), die Abhängigkeit von Rohfellimporten und die Stärke des Auslandsgeschäfts (Schwerpunkt USA) gut wieder. Immer wieder sind in die geschäftlichen Unterlagen auch Informationen zu den privat-persönlichen Beziehungsnetzen und Verbindungen von Heyls eingebunden. Wichtig war und blieb zum Teil auch nach 1945 ein Netz von Tochtergesellschaften (Zürich, Amsterdam, New York, London u.a.). Während des 2. Weltkriegs kommen zahlreiche Unterlagen über die Tätigkeit v. Heyls in der ‚Wirtschaftsgruppe Lederindustrie’ und damit der kriegswirtschaftlichen Bürokratie der NS-Zeit hinzu, deren Vorsitz 1942 bis Ende 1944 v. Heyl wahrnahm. In diesem Bereich reicht die Bedeutung des hier umfangreichen Schriftgutes über die lokalen Gegebenheiten weit hinaus und ist für die Rekonstruktion der erheblichen Probleme der Branche im Krieg von auch überregionalem Gewicht (Rationalisierungen, Arbeitskräfteabzug, Stillegungen, Umstellungen der Produktion, Bewirtschaftungsbürokratie, Ersatzstoffe, Kriegswichtigkeit, Verhältnis zum Reichswirtschaftsministerium, zur Planungsbürokratie und anderen Dienststellen). Durchgängig sind Personalbücher, Unterlagen zum ausgeprägten Gemeinschaftsleben des Werks (einschl. Gesangverein, Feldpostbriefe von eingezogenen Mitarbeitern an die Werksleitung, Vertrauensrat etc.) und sehr reiche Korrespondenzserien vorhanden. Die Jahre nach 1945 lassen den Wiederaufbau und die zunehmenden Probleme der Branche gut erkennen. Das Verhältnis zu den Tochter- und Auslandsgesellschaften, Reiseberichte, Auslandskontakte u.a. sind ebenso zu finden wie Material zum zunehmend wichtigen Verhältnis zu den Banken, vor allem der Commerz- und Creditbank in Frankfurt als Hausbank des Unternehmens. Gut belegt ist eine schwere Absatz- und Finanzkrise des Unternehmens 1952, dem Mitte 1953 die Umwandlung Liebenaus in eine AG gefolgt ist. Für das Jahr 1960 liegen beispielhaft umfangreiche Bank-, Umsatz- und Rechnungszahlen vor, die exemplarisch eine Analyse des Firmenzustandes für diese Zeit möglich machen. Seit den frühen 50er Jahren war Ludwig v. Heyl sen., dem zunehmend sein Sohn Ludwig (geb. 1920) in der Werksleitung gefolgt ist, in zahlreichen Gremien, Kammern, berufsständischen u.a. Vereinigungen, Beiräten, Interessenorganisationen und Vereinen der Lederwirtschaft und -forschung sowie ihres politischen und wissenschaftlich-fachlichen Umfeldes tätig, er nahm in dieser Eigenschaft (vor allem über die Präsidentschaft der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer, Paris) an Tagungen und Kongressen (Wien 1953, Tokio 1955 u.a.) teil und stand in gutem Kontakt zu Politikern und Wirtschaftsführern der Wiederaufbaujahre. Dieses Segment der Überlieferung reicht bis zu seinem Tod in November 1962 und dürfte für die Entwicklung der Branche nach 1945 über Worms hinaus auch überregional von Belang sein. Das Ableben von Heyls ging mit einem umfassenden Generationswechsel an der Spitze um 1959/63 einher. In den 60er Jahren wurde die seit 1930 enge Zusammenarbeit mit der Lederfabrik Emil Waeldin in Lahr, deren Aufsichtsrat Ludwig sen. vorstand, weiter intensiviert. Die Firma, die mit Liebenau seit 1954/55 eine gemeinsame Ein- und Verkaufsgesellschaft GmbH mit Sitz in Frankfurt (EVG) gebildet hatte, firmierte in der letzten Phase ihrer Tätigkeit ab 1971 als "Heyl & Waeldin AG". Nachdem die übrigen Wormser Lederbetriebe in den 50er Jahren im Abschwung waren und in den 1960er Jahren ihre Produktion eingestellt haben, hielt sich Liebenau bis 1974. Einen kleinen Teil des Bestandes nehmen Fotografien, Tonbänder und eine Plan- und Kartensammlung ein. Unterlagen zu Rezepturen, technischen Fragen und Versuchsreihen des Labors ergänzen die Unterlagen auch für technikgeschichtliche Fragestellungen der Lederherstellung. Bemerkungen zur Firmengeschichte der Lederwerke Heyl-Liebenau Der folgende Überblick kann lediglich ausgewählte Aspekte der komplexen Firmenentwicklung beleuchten bzw. anreißen. Eine vergleichend angelegte, umfassende Unternehmensgeschichte, deren Fundament in den hier verzeichneten Akten vorliegt, steht bisher noch aus. Der 1. Weltkrieg trug zu einem starken Rückgang der Beschäftigtenzahlen bei, welche auf ein Viertel des Vorkriegsstandes zurückgingen. Erst 1920 konnte wieder Zahl von 1913/14 erreicht werden, wobei ein hoher Anteil weiblicher Beschäftigter erhalten und für das Werk auch danach charakteristisch blieb. Einer kritischen Geschäftslage 1918 bis 1920 folgte eine nur langsame Erholung von den Kriegsfolgen. Seit Dezember 1922 oblag die alleinige Verantwortung für die ‚Heylschen Lederwerke Liebenau bei Ludwig v. Heyl; mit der Gründung der Cornelius Heyl AG im März 1923 wurde die Transformation des Familienunternehmens abgeschlossen. Als Hauptprodukt stellte das Werk auf der Basis einer geographisch weit reichenden Rohstoffversorgung (Rohfelle) schwarzes Chevreauxleder (Nibelungkid) in hervorragender Qualität her. Der Markt war in den 20er Jahren von einer stärker werdenden internationalen Konkurrenz um hochwertige Rohwaregekennzeichnet, Liebenau musste sich bei ca. 75% ausländischer Rohfell-Provenienz auf einem globalen Markt behaupten. Der Einkauf inländischer Rohfelle erfolgte v.a. über Großhändler und wohl auch Absprachen der deutschen Lederindustrie untereinander. Liebenau wurde rasch zum deutschen Marktführer für hochwertiges Chevreauxleder, das an Schuhfabriken im gesamten Reichsgebiet verkauft wurde. Der Exportanteil des Konzerns betrug etwa drei Viertel, man behauptete sich zunehmend auch auf dem US-Markt, den Ludwig v. Heyl mittels mehrerer längerer, gut dokumentierter Geschäftsreisen bis nach dem Krieg auch persönlich gepflegt hat. Tochtergesellschaften wie die Firma Capra in Amsterdam kümmerten sich um Fragen der Ziegenfellveredelung und Lohngerbung. Am Ende des Geschäftsjahres 1921/22 beschäftigte Liebenau in der Produktion 874 Personen (davon 369 Frauen = 42%), dazu 121 Beamte u. Angestellte in der Werksverwaltung. Nach der Inflation gingen die Zahlen im Produktionsbereich vorübergehend zurück. Die Gesamtzahlen lagen nach einem Abbau zwischen 1930 und 1934 im letztgenannten Jahr wieder bei ca. 1100 Beschäftigten. Das Werk konnte im Gegensatz zu den anderen beiden Wormser Lederwerken seine Mitarbeiterzahlen bis zum 2. Weltkrieg erhöhen (1924: ca. 860, 1939: ca. 1200 Mitarbeiter, davon zu dieser Zeit fast 54% weiblich). Die Beschäftigtenzahlen sanken seit 1939 kontinuierlich auf etwa 300 bei Kriegsende. Das Werk Liebenau blieb von direkten Folgen der Bombenangriffe fast ganz unberührt. Bemerkenswert blieben (auch nach 1918/19) ein hoher Stand der freiwilligen sozialen betrieblichen Fürsorgeeinrichtungen bzw. Leistungen und damit zusammenhängend Bemühungen um die Jubilare und das Gesundheitswesen der Beschäftigten. Ludwig von Heyl war auch persönlich in besonderer Weise um das Wohlergehen der ihm anvertrauten Beschäftigten und ihrer Familien besorgt. Auch dazu findet sich reiches Quellenmaterial in Abt. 180/1. Gemeinschaftseinrichtungen wie der Werksgesangverein (er bestand noch bis nach 1970 !) vertieften die Bindung der Arbeiterschaft an das Werk Liebenau. Während der Weltwirtschaftskrise 1929/32 kam Liebenau (wie auch andere Firmen der Branche in Worms) in eine Kreditkrise mit ihrem Höhepunkt 1931; Banken waren seinerzeit das Bankhaus Dreyfus und die Frankfurter Bank Metzler. Wie schon 1923 hat man bei allen Bemühungen um Kostensenkungen versucht, die Belegschaft zu halten . Die NS-Zeit brachte für das Werk infolge der Autarkiepolitik zunehmende Probleme bei der Devisenbeschaffung für die Rohwareneinschränkungen und Absatzprobleme auf dem Weltmarkt, nicht zuletzt auch infolge der politischen Rahmenbedingungen . Während des Kriegs war es besonders nachteilig, dass die Produktpalette der Wormser Lederindustrie wegen ihrer Einstufung als ‚nicht kriegswichtig’ starke Einbußen an Personal und Devisen erlitten hat. Nach 1945 wurde mit der Rhenopella ein Pelzveredelungswerk in Liebenau eingerichtet, das bis 1954 für die hochwertige Bekleidungsindustrie tätig war. Praktische Hinweise Der Zustand der meisten Akten ist zufriedenstellend, punktuell bestehen Kopierverbote wegen schlechter Papierqualität. Sperrungen bestehen keine, die Akten sind frei nutzbar. Ein kleiner Teil der Akten ist wegen der Lagerung im Dienstgebäude Adenauerring nicht direkt zugänglich. Verweis auf ergänzende Archivbestände In erster Linie ist bei nahezu allen Unterlagen des Bestandes ergänzend das Material in Abt. 185 heranzuziehen, das ursprünglich auch aus einer Provenienz stammt und thematisch deshalb überaus eng mit Abt. 180/1 verschränkt und verwoben ist; es birgt sehr zahlreiches weitere Material zur Geschichte der Firma und der Familie von Heyl (bzw. Ludwig v. Heyls, 1886-1962, und seiner Familie) in all ihren Facetten für die Zeit vom Ersten Weltkrieg bis zum Produktionsende in Liebenau 1974. Für das Schwesterunternehmen Cornelius Heyl AG sei verwiesen auf trümmerhafte Akten in Abt. 180/2. Daneben ist auch für die Firmengeschichte wichtig der Sammlungsbestand zur Familie v. Heyl Abt. 170/26. Siehe auch Material in Abt. 204 (Zeitgeschichtliche Sammlung) und Abt. 6 (Stadtverwaltung seit 1945). In Abt. 30 (Hessisches Kreisamt Worms) befinden sich mehrere umfangreiche Aktenbände über die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der gewerblichen Anlagen durch das Kreisamt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. In Abt. 18 (Bauordnungsamt/Städt. Bauaufsicht) finden sich zahlreiche Bauakten aus derselben Zeit bis zum Ende der Betriebstätigkeit in den 1970er Jahren. Reiches Material zu den Werken mit Schwerpunkt auf den 1920er Jahren birgt die Fotoabteilung des Archivs. Literatur Hartmann, Christoph, Die Heyl’schen Lederwerke Liebenau. Eine Wormser Lederfabrik in der Zwischenkriegsphase vor dem Hintergrund eines globalen Marktes, Diplomarbeit Universität der Bundeswehr München zur Erlangung eines akad. Grades eines Dipl.-Staatswissenschaftlers Univ., 2007 (masch., 122 S.) Das Stadtarchiv Worms und seine Bestände, bearb. v. Gerold Bönnen, Koblenz 1998 (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 79) Eberhardt, Otto, Die industrielle Entwicklung der Stadt Worms, Diss. masch. Heidelberg 1922 Illert, Friedrich M., Cornelius Wilhelm Freiherr Heyl zu Herrnsheim. Ehrenbürger der Stadt Worms, Ehrenmitglied des Altertumsvereins Worms. Zu seinem hundertsten Geburtstag am 10. Februar 1943, in: Der Wormsgau 2, 1934-43, S. 393-419 Lucht, Walter E., Die Arbeiterverhältnisse in der Wormser Lederindustrie, Diss. masch. Gießen 1923 Reuter, Fritz, Vier bedeutende Wormser Familien im 19. und 20. Jahrhundert: Heyl, Valckenberg, Doerr und Reinhart, in: Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde Bd. 21, 42. Jg., 1993, S. 644-661 Brecher, Volker, Kriegswirtschaft in Worms. Arbeitsbedingungen ausländischer und deutscher Beschäftigter in der Lederindustrie und anderen Wirtschaftszweigen 1939-1945, Worms 2003 (Der Wormsgau, Beiheft 37) (v.a. S. 17-21 zur Lage der Fa. 1933 bis 1939, folgend zu Arbeitsbedingungen und Zwangsarbeitereinsatz bis 1945) Herd, Burkhard, Die Lederindustrie in Deutschland zwischen 1933 und 1945, Diplomarbeit masch. Universität Mannheim 1994 [bezieht sich auf die Lederwerke Heyl-Liebenau] Geschichte der Stadt Worms, hg. im Auftrag der Stadt Worms von Gerold Bönnen, Stuttgart 2005 (Gerold Bönnen, Von der Blüte in den Abgrund: Worms vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg (1914-1945), S. 545-606; Hedwig Brüchert, Soziale Verhältnisse und Arbeitsbedingungen in der Industriestadt Worms bis zum 1. Weltkrieg, S. 793-823) Dr. Gerold Bönnen Stadtarchiv Worms 3.3.2009