1898-1906 in Berseba, Rietmond, Ghochas, Gibeon, Haruchas bei Ghochas, ab 1905 Farmer, vgl. RMG 1.341 für Nachlaß; Lebenslauf u. Bewerbungsunterlagen, 1892; Briefe u. Berichte, 1898-1905; Kopie e. Briefes von Hendrik Witbooi an d. Kapitäne von Berseba u. Bethanien, 1904; Bericht über d. Rettung seiner Frau u. Kinder, d. nach Gramus verschleppt worden waren, 8 S., hs., Okt. 1904; Bericht von Frau Ida Berger, geb. Bergmann, verw. Albath über ihre Erlebnisse beim Ausbruch d. Hottentotten-Aufstandes in Gochas u. auf d. Fahrt nach Gramus, 32 S., hs., 1904; Proklamation d. Generalleutnants von Trotha an d. Hottentotten, in deutsch, holl. u. Nama, Apr. 1905; Denkschrift: "Entwicklung d. Unruhen im Gochaser Gebiet“, 1904; Ausführlicher Bericht über Carl Bergers Erlebnisse während d. Aufstandes 1904 im Gochaser Gebiet, 15 S., hs., Juni 1905; Nachtragsbericht über d. Folgen d. Aufstandes, Aug. 1905; Ehrenerklärung d. Oberleutnants Stuhlmann für Carl Berger, Nov. 1905; Austrittserklärung u. Begründung hierfür von Carl Berger, Juni 1906; Korrespondenz mit Carl Berger, 1912-1961; Korrespondenz mit Frau Margarete Berger, geb. Ruymann, Witwe Carl Bergers
Rheinische MissionsgesellschaftUnruhen
7 Dokumente results for Unruhen
Enthält u.a.: Bekämpfung von Unruhen im Hinterland von Kiautschou im Jahre 1899; Enthält auch: Portraitfoto von Friedrich Fauth; Briefe an Annemarie Werner; Abschriften von persönlicher Korrespondenz
I. Zur Geschichte der Familie von Linden: Die Familie von Linden stammt ursprünglich aus dem Bistum Lüttich. Als Stammvater gilt ein gewisser Adam van Linter, der urkundlich 1604-1615 erwähnt wird und Gutsbesitzer in Hoeppertingen (belgisch Limburg) war. Sein Sohn Peter, der vermutlich wegen der politischen und religiösen Unruhen im Stammland der Familie Linter nach Franken auswanderte, erwarb um 1650 einen Hof in Habitzheim (Odenwald). Er nahm den Familiennamen "von Linden" an. In Kurmainz stiegen einige Mitglieder der katholischen Familie von Linden zu hohen Ämtern auf: Franz von Linden (1712-1789) war Hofkammerrat und Oberkeller der Kameralverwaltung im Vizedomamt Aschaffenburg, Johann Heinrich Freiherr von Linden (1719-1795) war Geheimer Rat und Direktor der Hofkammer des Kurfürstentums Mainz. Letzterer erhielt auch am 5. November 1780 den Reichsadelsstand und am 7. September 1790 von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und von Bayern den Reichsfreiherrnstand verliehen. Franz Damian Freiherr von Linden (1745-1817), ein Enkel von Johann Heinrich Frei-herr von Linden, war Geheimer Rat und später Direktor der Landesregierung des Fürstprimas in Aschaffenburg. Sein zweitältester Sohn Franz Joseph Ignaz war württembergischer Geheimer Legationsrat und Herr auf Nordstetten, Isenburg und Taberwasen. Ein weiterer Enkel des Johann Heinrich Freiherr von Linden, der Jurist Franz Freiherr von Linden (1760-1836), hatte 1796-1806 die Position eines Reichskammergerichtsassessors inne. Nach der Auflösung des Reichskammer-gerichts trat Franz Freiherr von Linden in die Dienste des Königreichs Württemberg. König Friedrich I. von Württemberg berief ihn im Jahre 1807 zum Präsidenten des neugegründeten Katholischen Kirchenrates. 1815 wurde Franz Freiherr von Linden zum württembergischen Bevollmächtigten beim Wiener Kongress, danach zum württembergischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. 1817-1831 war er Präsident des Schwarzwaldkreises. Franz Freiherr von Linden ist der Stammvater der VII Linien (Die Zählung der Linien erfolgt nach: Genealogisches Handbuch des Adels Bd. 68 der Gesamtreihe. Freiherrliche Häuser Bd. VII, Limburg/Lahn 1978, S. 196-215; Genealogisches Handbuch des Adels Bd. 109 der Gesamtreihe, Freiherrliche Häuser Bd. XVIII, Limburg/Lahn 1995, S. 356-376; Genealogisches Handbuch des Adels: Der in Bayern immatrikulierte Adel Bd. XXIII, Neustadt/Aisch 2000, S. 351-365.) des Hauses von Linden: Von seinen sieben im folgenden genannten Söhnen stammen diese VII Linien des Hauses ab: Von Edmund (1798-1865) die I. (gräfliche) Linie (Burgberg), von Franz a Paula (1800-1888) die II. (gräfliche) Linie, von Carl (1801-1870) die III. Linie (Hausen) mit dem 1. Ast (in den USA) und dem 2. Ast (Hausen), von Joseph (1804-1895) die IV. Linie (Neunthausen), von Ernst (1806-1885) die V. Linie (Bühl), von Ludwig (1808-1889) die VI. (Schweizer) Linie und von Hugo (1812-1895) die VII. Linie. Im Jahre 1844 wurden Edmund Freiherr von Linden (1798-1865) und sein Vetter Heinrich Freiherr von Linden (1784-1866), der älteste Sohn des bereits erwähnten Damian Franz Freiherr von Linden, in den päpstlichen Grafenstand erhoben. Die Anerkennung der Standeserhöhung für Heinrich erfolgte durch den Großherzog von Hessen-Darmstadt im Jahre 1846. Im selben Jahr erhielt auch Edmund Graf von Linden die württembergische Anerkennung der Standeserhöhung. Im Jahre 1850 wurde der päpstliche Grafenstand auch auf Franz a Paula und die II. Linie ausgedehnt. Die Erhebung in den württembergischen Grafenstand erfolgte im Jahre 1852. Von den genannten VII Linien sind bis auf die III. Linie (Hausen) alle im Mannesstamm erloschen. Die III. Linie teilt sich in einen 1. Ast, dessen Mitglieder in den USA leben, und in den 2. Ast (Hausen). II. Biografische Abrisse zu Hugo und Joseph Freiherr von Linden: Hugo Freiherr von Linden (1854-1936): Dem 2. Ast (Hausen) der III. Linie entstammt auch der Ministerialdirektor Hugo Freiherr von Linden. Er wurde am 1. Februar 1854 in Ludwigsburg als Sohn des Carl Freiherr von Linden (1801-1870) und dessen zweiter Ehefrau Mathilde Freifrau von Linden geb. Gräfin Leutrum von Ertingen (1815-1892) geboren. Hugo Freiherr von Linden studierte nach dem Abitur 1872 an den Universitäten Tübingen, Straßburg und Berlin Jura. Im Jahre 1877 legte er das Staatsexamen ab. Nach Tätigkeiten an verschiedenen Gerichten in Württemberg wurde er 1883 Geheimer Legationssekretär im Württembergischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Im selben Jahr wurde er zum Kammerjunker des Königs ernannt, womit Ehrendienste bei gesellschaftlichen Veranstaltungen des Hofes verbunden waren. Im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten stieg Hugo Freiherr von Linden im Jahre 1906 bis zum Ministerialdirektor und Leiter der Politischen Abteilung des Ministeriums auf. Im Jahre 1900 arbeitete Hugo Freiherr von Linden den Ehevertrag zwischen Herzog Robert von Württemberg und Erzherzogin Maria Immaculata Raineria von Österreich aus (vgl. Ordnungsnummer 42, Bestellnummer 8). Hugo Freiherr von Linden heiratete 1893 Elisabeth Schenk Freiin von Stauffenberg (1864-1939), die Tochter des Vizepräsidenten des deutschen Reichstages, Franz August Schenk von Stauffenberg. Er ist der Stammvater des 2. Astes (Hausen) der III. Linie (Hausen). Joseph Freiherr von Linden (1804-1895): Joseph Freiherr von Linden entstammt der IV. Linie (Neunthausen). Er wurde am 7. Juni 1804 als Sohn des bereits genannten Reichskammergerichtsassessors Franz Freiherr von Linden (1760-1836) und dessen zweiter Ehefrau Maria Anna von Linden geb. Freiin von Bentzel zu Sternau (1769-1805) in Wetzlar geboren. Kindheit und Jugend verbrachte Joseph Freiherr von Linden in Württemberg, u. a. in Kirchheim, wo er lebenslange Freundschaft mit dem gleichaltrigen Sohn von Ludwig Herzog von Württemberg (1756-1817) und Henriette Herzogin von Württemberg geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg (1780-1857), Alexander Herzog von Württemberg (1804-1885), schloss. Zeugnis dieser Freundschaft sind die in diesem Bestand enthaltenen Briefe Herzog Alexanders an Joseph Freiherr von Linden (vgl. Ordnungsnummer 24, Bestellnummer 6). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen hielt sich Joseph Freiherr von Linden zusammen mit seinem älteren Bruder Carl in den Jahren 1825 bis 1827 in Frankreich auf, um dort seine Kenntnisse der französischen Sprache und Literatur zu verbessern (vgl. dazu Bestell- und Ordnungsnummern 3 und 4). Danach folgten Tätigkeiten als Richter in verschiedenen württembergischen Städten. 1839-1848 vertrat Joseph Freiherr von Linden die Ritterschaft des Donaukreises in der Zweiten Kammer. Von 1842-1850 war er - wie zuvor sein Vater - Präsident des Katholischen Kirchenrates. Im Revolutionsjahr 1848 wurde Linden zum Innenminister Württembergs ernannt, musste jedoch noch am selben Tag aufgrund der Proteste der Bevölkerung wieder entlassen werden. König Wilhelm I. berief Linden am 1. Juli 1850 wieder zum Innenminister und übergab ihm auch in den Jahren 1850 bis 1851 und 1854 bis 1855 das Amt des württembergischen Außenministers. In dieser Zeit trat von Linden für die Wiederherstellung der alten Verfassung ein, was ihm in liberalen Kreisen den Vorwurf einbrachte, er sei reaktionär. Lindens Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet sind nicht zu unterschätzen: Er förderte die Gründung der Stuttgarter Börse, schuf eine neue Gewerbeordnung und regte die Gründung der Weinbauschule Weinsberg an. Auf dem Felde der Kirchenpolitik trug von Linden wesentlich zum Ausgleich zwischen dem Königreich Württemberg und der katholischen Kirche bei. Nach dem Tode König Wilhelms I. entließ sein Sohn und Nachfolger König Karl am 20. September 1864 von Linden als Minister. In den folgenden Jahren war Joseph Freiherr von Linden als Diplomat Württembergs tätig. 1865 wurde er württembergischer Gesandter in Frankfurt und bei den hessischen Höfen, 1868 Gesandter beim Zollparlament in Berlin. Im Jahre 1870 wurde ihm während des Deutsch-Französischen Krieges das Amt des Präfekten des von den Deutschen besetzten Départements Marne übertragen (vgl. Ordnungsnummern 32 und 34, Bestellnummern 15 und 16). Joseph Freiherr von Linden heiratete im Jahre 1830 Emma Freiin von Koenig-Warthausen (1810-1893). Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Richard (1831-1887), der Rittmeister beim württembergischen Militär war (vgl. dazu Ordnungs-nummer 34 und 41, Bestellnummern 15 und 49), Franziska (1833-1919), die 1859 Dr. Fridolin Schinzinger (1827-1865) heiratete (Ordnungsnummern 25, 35 und 36, Bestellnummern 11, 13 und 14), sowie Elise (1836-1914) und Josephine (1838-1881), die beide ledig blieben. Von den übrigen herausragenden Mitgliedern der Familie von Linden, zu denen im vorliegenden Bestand allerdings nur wenig Material (Ordnungsnummer 42, Bestellnummer 8) vorliegt, seien hier noch kurz erwähnt: Karl Graf von Linden (1838-1910), der Gründer des nach ihm benannten Völkerkundemuseums (Lindenmuseum) in Stuttgart, und Marie Gräfin von Linden (1869-1936), die als erste Frau an der Universität Tübingen studiert hatte und die später zur Professorin für Parasitologie an der Universität Bonn ernannt wurde. III. Geschichte, Inhalt und Gliederung des Bestandes: Der vorliegende Bestand vereinigt Unterlagen aus dem Nachlass von Joseph Freiherr von Linden, die im Jahre 1962 von Herrn Regierungsoberinspektor Reginald Mutter (Vgl. hierzu die Überschrift im alten Repertorium zum Bestand Q 1/7), einem Ururenkel von Joseph Freiherr von Linden, dem Hauptstaatsarchiv übergeben wurden. Ein Jahr später hat das Hauptstaatsarchiv diese Archivalien angekauft, die zunächst dem früheren Bestand J 50 (Kleinere Nachlässe) einverleibt wurden. Robert Uhland fertigte im Jahre 1963 ein maschinenschriftliches Findbuch an. Dabei handelt es sich vor allem um das Material, das jetzt im vorliegenden Bestand unter den Nachlässen Joseph Freiherr von Linden, Emma Freifrau von Linden und Franziska Schinzinger aufgeführt wird. Bei der Bildung der Q-Bestände im Jahre 1972 wurde der als Nachlass von Linden bezeichnete Bestand aus dem Bestand J 50 herausgelöst und zu der neugeschaffenen Q 1-Serie (Politische Nachlässe) eingeordnet, wo er die Signatur Q 1/7 erhielt. Der kleine Nachlass bestand nur aus einem Büschel, das mehrere Schriftstücke enthielt, die in dem obengenannten Findbuch aufgeführt wurden. In den 90er Jahren bekam der Bestand Q 1/7 Zuwächse durch Abgaben von privater Seite: Im Jahre 1990 gab Frau E. Niethammer, Kirchheim/Teck, Schriftstücke aus dem Nachlass der evangelischen Pfarrersfamilie Dierlamm als Geschenk an das Hauptstaatsarchiv ab, die zunächst als Büschel 2 dem Bestand Q 1/7 einverleibt wurden. Dabei handelt es sich um die jetzt unter der Rubrik 2 des vorliegenden Bestandes aufgeführten Dokumente (Ordnungsnummern 37 bis 41). Darunter befinden sich Visitenkarten und Schreiben von Joseph Freiherr und Emma Freifrau von Linden an Pfarrer Dierlamm (Ordnungsnummer 37, Bestellnummer 45), Billetts von Sara Schinzinger an Pfarrer Dierlamm (Ordnungsnummer 40, Bestellnummer 47) und mehrere Leichenpredigten für Mitglieder des Hauses von Linden (Ordnungsnummer 41, Bestellnummer 49). Franz-Karl Freiherr von Linden verkaufte im Jahre 1992 dem Hauptstaatsarchiv weiteres Material zur Familiengeschichte von Linden. Darunter sind Unterlagen aus dem Nachlass seines Großvaters Hugo Freiherr von Linden (Ordnungsnummern 7-23) und Bilder, v. a. von Mitgliedern des Hauses Württemberg (Rubrik 3.2, Ordnungsnummern 43-48). Diese Dokumente erhielten zunächst die Büschelnummer 3 im Bestand Q 1/7. Außerdem hat Franz-Karl Freiherr von Linden eine von ihm zusammengestellte umfangreiche Materialsammlung zur Familiengeschichte von Linden, die Fotokopien von Literatur und Abschriften bzw. Fotokopien von Archivalien zur Familie von Linden enthält, an das Hauptstaatsarchiv abgegeben. Diese Unterlagen erhielten vorläufig die Büschelnummer 4 im Bestand Q 1/7. Schließlich hat Franz-Karl Freiherr von Linden im Jahre 1993 von ihm verfasste Zeitungsartikel über die Entstehung der Insel Surtsey vor der Küste Islands dem Hauptstaatsarchiv übereignet, die zunächst als Büschel 5 in den Bestand Q 1/7 eingeordnet wurden. Sie finden sich jetzt unter der Ordnungsnummer 49 (Bestellnummer 7). Die von Franz-Karl Freiherr von Linden im Jahre 1992 als Depositum unter Eigentumsvorbehalt an das Hauptstaatsarchiv abgegebenen Tagebücher 1870-1935 seines Großvaters Hugo Freiherr von Linden wurden dagegen im Jahre 1995 wieder an den Eigentümer zurückgegeben. (Vgl. Tgb.-Nr. 4143/1993 und Tgb.-Nr. 2918/1995) Im Zuge der Verzeichnung erhielt der Bestand ferner Zuwachs aus dem Bestand J 53 (Familienpapiere württembergischer Beamter). Die unter der Signatur J 53/10 verwahrten Auszüge aus Familienregistern betreffend Julius Graf von Linden und Loring Graf von Linden (Ordnungsnummern 5 und 6, Bestellnummern 50 und 19) und Schriftstücke zum Verkauf des Rittergutes Nordstetten an den Revierförster von Fischer-Weikersthal (Ordnungsnummer 1, Bestellnummer 17) wurden ebenso in den vorliegenden Bestand eingeordnet. : Auf welche Weise und wann diese Dokumente in das Hauptstaatsarchiv gelangten, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Wie oben bereits mehrfach erwähnt, umfasst der heutige Bestand Q 1/7 neben dem Nachlass des württembergischen Staatsministers Joseph Freiherr von Linden mehrere weitere Nachlässe von Mitgliedern des Hauses Linden und Sammlungen bzw. Dokumente zur Familiengeschichte von Linden. Daher wurde die bisherige Bestandsbezeichnung "Nachlass Joseph Freiherr von Linden" zur Bestandsbezeichnung "Familienunterlagen von Linden" erweitert. Von einem Familienarchiv kann angesichts des geringen Umfanges des Bestandes und der Unvollständigkeit des Bestandes jedoch nicht gesprochen werden. Auch fehlen etwa Materialien zu verschiedenen Mitgliedern und Linien der Familie von Linden völlig oder fast völlig: So sind keine originalen Archivalien zu den Mitgliedern der Familie von Linden zu erwarten, die sich in Diensten des Kurfürstentums Mainz, des Fürstprimas und des Großherzogs von Hessen befanden (v. a. Johann Heinrich von Linden, Damian Franz Freiherr von Linden, Heinrich Graf von Linden). Auch zu den auf die Söhne von Franz Freiherr von Linden zurückgehenden Linien sind nur vereinzelt Archivalien vorhanden: Von den I. (gräflichen) und II. (gräflichen) Linien liegen bis auf die Auszüge aus den Familienregistern zu Julius und Loring Graf von Linden (Ordnungsnummern 5 und 6, Bestellnummern 19 und 50) keine Originalunterlagen vor. Ebenso fehlt Schriftgut der V. Linie (Bühl), der VI. (Schweizer) Linie und der VII. Linie. Kleinere Nachlässe sind nur von der III. Linie (Hausen) und der IV. Linie (Neunthausen) im Bestand enthalten, doch handelt es sich bei den Unterlagen aus den Nachlässen von Ministerialdirektor Hugo Freiherr von Linden und Staatsminister Joseph Linden lediglich um Bruchteile der ursprünglichen Nachlässe. Es ist zu vermuten, dass sich von beiden genannten und auch von anderen Mitgliedern der Familie von Linden noch Material im Besitz der Familie befindet. Leider sind auch Teile der archivalischen Überlieferung der Familie von Linden beim Brand der Schlösser Burgberg und Hausen im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden. Außer dem persönlichen Schriftgut zu einzelnen Familienmitgliedern fehlen in dem vorliegenden Bestand auch Unterlagen zur Wirtschafts- und Güterverwaltung, Urkunden und Rechnungen, die in einem Adelsarchiv zu erwarten sind. Die Gliederung des Bestandes orientiert sich an der Einteilung der weitverzweigten Adelsfamilie von Linden in die verschiedenen Linien, wie sie im Genealogischen Handbuch des Adels aufgeführt wird. Innerhalb der einzelnen Linien wurden die Nachlässe bzw. Bestände zu den Familienmitgliedern nach dem Geburtsdatum geordnet, so dass die älteren Familienmitglieder vor den jüngeren aufgeführt werden. Die Nachlässe von Franz Joseph Ignaz Freiherr von Linden (Rubrik 1.1) und von Franz Freiherr von Linden (Rubrik 1.2) stehen an dem Beginn des Bestandes. Zum letztgenannten Nachlass gehören ein Rechtsgutachten über die Wirkung des Reichsschlusses vom 27. April 1803 auf den kammergerichtlichen Judizialprozess, zwei Schreiben Franz von Lindens an Justizminister Maucler über die Fortschritte bei der Ausbildung der Söhne Carl und Joseph von Linden sowie der teilweise in französischer Sprache geführte Schriftwechsel von Carl und Joseph von Linden während deren Aufenthalt in Frankreich mit ihren Eltern. Der Nachlass des Ministerialdirektors Hugo Freiherr von Linden umfasst mehrere gedruckte Programme und Einladungen zu kulturellen und offiziellen Veranstaltungen, überwiegend in Stuttgart (Rubrik 1.5.1), und Briefe von Mitgliedern des fürstlichen Hauses Wied an Hugo Freiherr von Linden sowie eine Denkschrift von Wilhelm I. Fürst von Albanien Prinz zu Wied (Rubrik 1.5.2). : Rubrik 1.6 bildet den Nachlass des württembergischen Staatsministers Joseph Freiherr von Linden. Er ist der zweitgrößte Nachlass im Bestand Q 1/7. Der Nachlass ist unterteilt in die Rubriken: Familiäre und persönliche Angelegenheiten (1.6.1) mit Unterlagen zu Hochzeiten, Hochzeitsjubiliäen und einer Reisebeschreibung, Korrespondenz (1.6.2) mit Briefen von Mitgliedern des Hauses Württemberg (v. a. Alexander Herzog von Württemberg) an Joseph Freiherr von Linden und vereinzelten Briefen von Familienangehörigen, Tätigkeit als Präfekt des Départements Marne (1.6.3) und Drucksachen über Joseph Freiherr von Linden (1.6.4). Von der Ehefrau von Joseph Freiherr von Linden, Emma Freifrau von Linden, und von der Tochter des Staatsministers, Franziska Freiin von Linden, sind nur sehr kleine Nachlassbestände vorhanden (Rubriken 1.7 und 1.8). Die Materialien aus dem Nachlass der evangelischen Pfarrersfamilie Dierlamm wurden als eigenständiger Komplex (Rubrik 2) belassen. Auf den Inhalt der Rubrik wurde bereits oben eingegangen. Unter der Rubrik 3 finden sich Sammlungen, überwiegend zur Familiengeschichte von Linden: Den Auftakt bildet Rubrik 3.1 mit der bereits erwähnten umfangreichen Materialsammlung zur Familiengeschichte von Linden, die Franz-Karl Freiherr von Linden zusammengestellt und als Fotokopien dem Haus übergeben hat. Rubrik 3.2 beinhaltet Fotos von Mitgliedern des Hauses Württemberg, von Joseph Freiherr von Linden und von anderen Persönlichkeiten der württembergischen Geschichte; die Rubriken 3.3 und 3.4 enthalten Zeitungsartikel von Franz-Karl Freiherr von Linden und eine Haarlocke von Joseph Freiherr von Linden. Weitere Archivalien zu Joseph Freiherr von Linden verwahrt das Hauptstaatsarchiv im Bestand J 1 (Sammlung historischer Handschriften) Nr. 256 b: Joseph Freiherr von Linden: "Aus meiner politischen Laufbahn" 1830-1862, Teil 2 der von Linden um 1890 der Enkelin Sara Schinzinger diktierten Erinnerungen. Das in J 1 verwahrte Exemplar ist eine Abschrift, für die Professor Schinzinger aus Hohenheim, ein Enkel des Staatsministers von Linden, im Jahre 1925 dem Archiv das Original ausgeliehen hat. Ein Tagebuch von Joseph Freiherr von Linden, das sich im Besitz von Herrn Dr. Günther-Otto Maus in Baesweiler, einem direkten Nachfahren von Joseph Freiherr von Linden, befand, wurde im Jahre 1977 verfilmt und wird jetzt unter der Signatur F 554 im Bestand J 383 (Mikrofilme und Handschriften in auswärtigen Archiven, Bibliotheken) im Hauptstaatsarchiv verwahrt. Im Januar 2015 wurde von Günther-Otto Maus das Original des Tagebuchs gekauft und befindet sich nun im Bestand unter der Signatur Q 1/7 Bü 51. Ein Verzeichnis des Archivs der Freiherren von Linden in Neunthausen, das in den Jahren 1892/1893 erstellt worden ist, befindet sich im Bestand J 424 (Inventare nichtstaatlicher Archive: Pflegeraufnahmen). Außerdem sei noch kurz auf die E-Bestände (Ministerialbestände), in denen umfangreiches Material zum Wirken des Staatsministers Joseph Freiherr von Linden und von Ministerialdirektor Hugo Freiherr von Linden verwahrt wird, verwiesen. Der Bestand Q 1/7 kann zu unterschiedlichen Forschungszwecken herangezogen werden: Zuerst natürlich zur Geschichte der Familie von Linden, zur Adels-, Mentalitäts-, Sozial- und Kulturgeschichte, schließlich auch zur Geschichte der deutschen Besatzung in Frankreich während des Krieges 1870/1871. Der Bestand Q 1/7 wurde im Jahre 2001 von den Archivinspektoranwärtern Alexander Morlok, Matthias Schönthaler und Jens Ulrich unter der Aufsicht des Unterzeichneten erschlossen. Die Endredaktion, Eingabe und Klassifikation der Titelaufnahmen, die Einleitung sowie die Erstellung des Gesamtindex oblagen dem Unterzeichneten. Der Bestand umfasst 0,5 lfd.m. Literatur über die Familie von Linden und einzelne Familienmitglieder:: Genealogisches Handbuch des Adels: Adelslexikon Band VII. 1989. S. 394f. Genealogisches Handbuch des Adels: Band 68. Freiherrliche Häuser Band VII (1978) S. 196-215 und Band XVIII (1995) S. 356-376. Genealogisches Handbuch des Adels: Der in Bayern immatrikulierte Adel Band XXIII. 2000. 351-365. Junginger, Gabriele: Maria Gräfin von Linden. Erinnerungen der ersten Tübinger Studentin. 1991. Koenig-Warthausen, Wilhelm Freiherr von: Josef Freiherr von Linden. Württembergischer Minister des Innern 1804-1895. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken IX S. 218-276. Linden, Franz-Karl Freiherr von: Aus Großvaters Tagebüchern. [Artikel über Hugo Freiherr von Linden (1854-1936)]. In: Schönes Schwaben 1993 Heft 1 S. 78-83. Menges, Franz: Joseph Freiherr von Linden. In: Neue Deutsche Biographie (NDB) Bd. 14 S. 589-590 Moegle-Hofacker, Franz:; Zur Entwicklung des Parlamentarismus in Württemberg. Der "Parlamentarismus der Krone" unter König Wilhelm I. 1981. Schneider, Eugen: Joseph Freiherr von Linden. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) Bd. 51 S. 719-721. Stöckhardt, E.: Joseph Freiherr von Linden. Königlich württembergischer Staatsminister a. D. Lebenslängliches Mitglied der Württembergischen Kammer der Standesherren. In: Deutsche Adels-Chronik Heft 15 S. 187-190 und Heft 16 S. 215, 216 und 226, 227. Württembergischer Verein für Handelsgeographie, Museum für Länder- und Völkerkunde, Lindenmuseum Stuttgart (Herausgeber): Feier des 50. Vereinsjubiläums. Feier des 100. Geburtstages des Grafen Karl von Linden. 1939.
Geschichte des Bestandsbildners: Marineoffizier, Freikorpsführer und Schriftsteller Bogislaw Selchow Lebensdaten 4. Juli 1877 geb. in Köslin gestorben am 6. Februar 1943 gest. in Berlin Militärische Karriere 7.4.1897 Einstellung als Kadett der Kaiserl. Marine Mai 1897 Kadett an Bord von SMS Stein 6.12.1897 Teilnahme an der Belagerung des Hafens von Port au Prince auf Haiti mit SMS Stein 27.4.1898 Beförderung zum Seekadetten Apr. 1898- Sep. 1900 In verschiedenen Funktionen an Bord von SMS Moltke, Hela, Mars und Blücher Jan.-März 1900 Gehirnhautentzündung, Marinelazarett Kiel 3.9.1900 Fähnrich zur See 23.9.1900 Beförderung zum Leutnant zur See Nov. 1900- Nov. 1901 An Bord von SMS Sachsen, ab Okt. 1901 als Adjutant; am 4.9.1901 Kollision mit SMS Wacht bei Rügen, das daraufhin sinkt Nov. 1901- Sep. 1902 Adjutant an Bord von SMS Kaiser Wilhelm der Große 15.3.1902 Beförderung zum Oberleutnant zur See Okt.-Dez. 1902 Wachoffizier an Bord von SM Torpedoboot G 109 Jan.-Apr. 1903 Kompanieoffizier der zweiten Kompanie der I. Torpedoabteilung, im Apr. Funkkursus auf SMS Neptun Apr.-Sep. 1903 Wachoffizier an Bord von SM Torpedoboot G 109 Okt./Nov. 1903 Ausreise als Passagier nach Ostasien an Bord von SS König Albert Nov. 1903- Mai 1905 Wachoffizier an Bord von SMS Hertha im asiatischen Raum mit Heimreise nach Kiel über Afrika und das Mittelmeer 11.9.1904 Verleihung des Kung-Pai-Verdienstordens (Chinesische Silberne Erinnerungsmedaille) anlässlich einer Audienz bei der Kaiserinwitwe und dem Kaiser von China 11.2.1905 Verleihung des Königl. Siamesischen Kronenordens vierter Klasse anlässlich einer Audienz beim König von Siam Juni-Sep. 1906 Kommandant von SM Torpedoboote S 29, S 25 und S 30 sowie Dienste in der Minenkompanie und als Erster Offizier der Minensuchreservedivision Okt. 1906- Juni 1907 Marineakademie 6.3.1907 Beförderung zum Kapitänleutnant Juli 1907 Dienst an Bord von SMS Kurfürst Friedrich Wilhelm Aug.-Sep. 1907 Dienst an Bord von SMS Yorck Okt. 1907- Juni 1908 Marineakademie Juli-Sep. 1908 Sprachurlaub in England 22.8.1908 Ernennung zum Ehrenritter des Johanniter-Ordens Okt. 1908 Ausreise als Passagier nach Westafrika auf SS Lucie Woermann Nov. 1908- Nov. 1909 Erster Offizier an Bord von SMS Sperber Nov./Dez. 1909 Rückreise als Passagier nach Deutschland auf SS Lucie Woermann Dez. 1909- Jan. 1911 Admiralstab der Marine Jan. 1911- März 1913 Adjutant der Nordseestation 19.9.1912 Verleihung des Rote-Adler-Ordens 4. Klasse Apr. 1913- Nov. 1914 Erster Offizier an Bord von SMS Victoria Louise 22.3.1914 Beförderung zum Korvettenkapitän 17.7.1914 Verleihung der Königl. Krone zum Rote-Adler-Orden 4. Klasse 10.11.1914- 30.6.1915 Kommandeur des I. Btl. des Matrosen-Artillerieregiments III (10.-25.11.1914); II. Btl. des Matrosen-Artillerieregiments I (26.11.-31.12.1914); I. Btl. des Matrosen-Artillerieregiments II (1.1.-4.2.1915); des III. Btl. des Matrosenregiments 4 (5.2.-10.5.1915); des III. Btl. des Matrosenregiments 5 (11.5.-30.6.1915); Einsatzgebiet: Flandern 1.5.1915 Verwundung bei Het Sas/Belgien durch Granatsplitter in Kopf, rechte Schulter, rechten Arm und rechtes Bein 7.2.1915 Eisernes Kreuz II. Klasse Aug.-Dez. 1915 Erster Offizier an Bord von SMS Freya Jan.-März 1916 Reservelazarett Liebenstein Apr. 1916- Juli 1917 Erster Offizier an Bord von SMS Hannover, in dieser Funktion Teilnahme an der Schlacht am Skagerrak am 31.5./1.6.1916 30.6.1916 Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse 22.8.1916 Verleihung des Oldenburgischen Friedrich-August-Kreuzes I. und II. Klasse 14.9.1916 Neurasthenie als Kriegsdienstbeschädigung anerkannt durch das Kdo. von SMS Hannover Juli 1917- Kriegsende Admiralstab der Marine 1918 Veröffentlichung der Propagandaschrift „Weltkrieg und Flotte" 10.4.1918 Österreichisches Militärverdienstkreuz 3. Klasse mit Kriegsdekoration 20.5.1918 Verleihung der Großherzoglichen Hessischen Tapferkeitsmedaille 16.11.1918- 20.8.1919 Dezernent im Reichsmarineamt 20.8.1919 Beförderung zum Fregattenkapitän Ziviles Leben Nach seiner Verabschiedung aus der Marine begann Bogislav von Selchow ein Studium der Geschichte in Marburg und wurde zugleich von der Reichswehrbrigade Kassel mir der Bildung einer Freiwilligenformation aus Marburger Studenten zum Schutz der jungen Republik beauftragt. Von Selchow gründete das Freikorps „Studentenkorps Marburg" (StuKoMa) und kommandierte es in der Folge bei der Niederschlagung von spartakistischen und rätedemokratischen Unruhen in Thüringen. Dabei kam es am 20.3.1920 zum sog. Massaker von Mechterstädt, bei dem 15 als Aufrührer verdächtigte Arbeiter, die von einem Stoßtrupp des StuKoMa festgesetzt worden waren, erschossen - angeblich „auf der Flucht". Die wegen dieser Tötungen Angeklagten wurden in zwei aufsehenerregenden Prozessen freigesprochen, die Urteile von der Öffentlichkeit als Akt der Klassenjustiz mit Abscheu und Protest aufgenommen. Von Selchow hatte sich im Prozess vor seine Männer gestellt, und auch die Marburger Universität solidarisierte sich mit ihren Studenten und rehabilitierte sie vollständig. Daneben organisierte sich von Selchow in der rechtsextremen, später illegalen sog. Organisation Escherich (Orgesch), die er im westdeutschen Raum zeitweise führte. Die paramilitärische Organisation legte geheime Waffenlager für einen erwarteten Kampf gegen den Bolschewismus an und war für Morde an Persönlichkeiten des gegnerischen politischen Lagers verantwortlich. Enttäuscht vom Zögern Escherichs, einen offensiven Kurs gegen die Republik einzuschlagen, wandte er sich im Dezember 1922 wieder von der Orgesch ab, legte das Kommando des StuKoMa nieder und zog sich bis 1933 aus der politischen Öffentlichkeit zurück. Am 24.1.1923 wurde Bogislav von Selchow von der Universität Marburg promoviert. Bereits 1920 hatte er seinen ersten Gedichtband „Deutsche Gedanken" veröffentlicht, und bald reüssierte er mit seinen Gedichten im rechten Spektrum. Er betätigte sich nun als Schriftsteller und Geschichtsphilosoph und entwickelte, ganz Kind seiner Epoche, ein sog. Zeitwendemodell, das die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung der Menschheit abbildete. Von Selchow definierte hierzu die von verschiedenen gesellschaftlichen Kräften geprägten Zeitalter der „Allzeit", der „Wirzeit" und der „Ichzeit". Dieses Denksystem wurde zur Grundlage für seine Werke und machte ihn gemeinsam mit dem von ihm immer wieder aufgegriffenen Topos des Heldischen zu einem ideologischen Wegbereiter des Nationalsozialismus. Sein Antisemitismus und Blick auf das Zeitgeschehen nach dem Untergang der alten Welt hatten ihn spätestens 1933 in die Nähe der NSDAP gebracht: Obwohl nie Parteimitglied, entwickelte er sich zum leidenschaftlichen Nationalsozialisten und gehörte zu den 48 Persönlichkeiten, die 1933 öffentlich zur Wahl Adolf Hitlers aufriefen. 1936 benannte sich die NS-Studentenkameradschaft, die aus der vormaligen Marburger Burschenschaft Germania hervorgegangen war, nach von Selchow. Am 9.6.1939 wurde er dann zum Ehrensenator der Philipps-Universität Marburg ernannt. Bestandsbeschreibung: Der Nachlass besteht aus zwei Schwerpunkten: den sog. Logbüchern und einer literarisch-philosophischen Materialsammlung, die durch Manuskripte ergänzt wird. Die sog. Logbücher liegen bis 1931 lückenlos vor und reflektieren in z. T. epischer Breite einzelne Erlebnisse und Sachverhalte. 39 der 51 „Logbücher enthalten Aufzeichnungen von Selchows aus seiner Zeit als aktiver Marineoffizier und als Führer des „Studentenkorps Marburg" im Freikorpseinsatz. Dazu kommen Kopien der Logbücher 61 bis 68, die lediglich Abbildungen enthalten und den Zeitraum von 1935 bis 1940 abdecken. Die „Logbücher" sind aber keine Tagebücher im engeren Sinne, sondern vielmehr durchkomponierte Erinnerungsbücher. Von Selchow übertrug seine auf Loseblattsammlungen festgehaltenen Tagebucheinträge - ein Beispiel hierfür findet sich in der Sammelmappe zum geplanten „Logbuch" 65 (N 428/86) - in ledereingebundene Folianten und verzierte seine Ausführungen u. a. mit kunstvollen Aquarell- und Federzeichnungen. Leere Stellen in den Logbüchern, auf denen in Bleistift Notizen zu den einzufügenden Bildern oder Zeichnungen eingetragen sind, nachzuvollziehen in N 428/46, geben Hinweis auf dieses Vorgehen. Die Basis der Logbücher, die Tagebuchblätter, aber auch seine Korrespondenz und weitere Unterlagen, die leider in den 1950er Jahren in privater Hand vernichtet wurde, sind bis auf Fragmente, die sich im vorliegenden Bestand finden, verloren. Die „Logbücher" legte von Selchow an, indem er zunächst seine Aufzeichnungen und ergänzendes Material in Einlegemappen sammelte und zusammenstellte. Gestützt auf diese Grundlage übertrug er Text und Illustration auf Blätter, die er in die in hochwertigen Ledereinbände, die das Wappen der Familie von Selchow und eingeprägte Beschriftungen tragen, einbringen ließ. Dieses Vorgehen lässt sich anhand der o. g. Sammelmappe nachvollziehen, andere Mappen verwendete er u. a. für andere Materialsammlungen wieder, siehe N 428/75. Den Quellenwert der „Logbücher" steigern die über 1.000 genau identifizierten Bilder und Fotos, die den Text über die Zeichnungen hinaus illustrieren. Die Abbildungen zeigen für die Zeit bis 1919 Orte, Schiffe, Alltagsszenen aus dem Soldaten- aber auch Privatleben in der Heimat und in internationalen Gewässern, Crews und Personen. Dazu kommen verschiedenste Dokumente wie Seekarten, Einladungen etc. Aus dem Überlieferungskontext lässt sich erschließen, dass die „Logbücher" in der hier vorliegenden Form wahrscheinlich in den 1930er-Jahren entstanden sind, verfügen die Bände 61 bis 68 doch über beschriftete Abbildungen und leergebliebenen Zwischenräumen für den einzutragenden Text. Durch seine Zugehörigkeit zum Uradel verfügte Bogislav von Selchow über einen großen Verwandten- und Bekanntenkreis. Die Logbücher geben Einblick in das Leben dieser Kreise von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialismus und spiegeln in den niedergeschriebenen Erinnerungen und der z. T. wiedergegebenen Korrespondenz die Fülle der dienstlichen und gesellschaftlichen Kontakte wider. Teils spektakuläre Einblicke in das Marineleben geben von Selchows Erinnerungsbücher, die die aktive Dienstzeit bei der Kaiserlichen Marine betreffen. Sie zeigen die Vielfalt des Erlebens und der Eindrücke als Offizier der Kaiserlichen Marine, die rund um die deutschen Kolonien im Einsatz war. Für die ersten Jahre der Weimarer Republik geben die sog. Logbücher wertvolle Einblicke in die Welt der Freikorps, vor allem des sog. Studentenkorps Marburg und der sog. Organisation Escherich; aber auch zur Organisation Consul pflegte von Selchow Kontakte - zu den beiden Letztgenannten finden sich zahlreiche Aussagen in den „Logbüchern". Seine Aufzeichnungen zeugen aber nicht nur für die Frühphase der Weimarer Republik vom Soldatischen im Denken von Selchows. Auch nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit im Jahr 1922 blieb er in seiner Grundhaltung auch als in Berlin lebender Dichter, Schriftsteller und Geschichtsphilosoph immer Soldat. So geben die „Logbücher" unmittelbare und einzigartige Eindrücke vom Leben eines - zudem adligen - Angehörigen des kaiserlichen Offizierkorps der Marine und von seinen Reaktionen auf den Zusammenbruch der alten Ordnung. Mentalitätsgeschichtlich ist dieser Teil des Nachlasses für den Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik aufschlussreich und wohl der einzige dieser Art, der über die revolutionären Ereignisse in Berlin Auskunft gibt. Sein Wert dürfte unter der Hinzuziehung der Veröffentlichungen von Selchows, besonders seiner Autobiographie „Hundert Tage aus meinem Leben" aus dem Jahr 1936 steigen. Der Nachlass illustriert das Verhältnis von Selchows zum keineswegs unkritisch gesehenen alten und zum verachteten neuen System. Die Kopien der „Logbücher" für die Jahre 1935 bis 1940 dokumentieren in ihren Abbildungen zudem von Selchows Nähe und Zugang zu Teilen der Führungsriege der NSDAP. Neben den Logbüchern bildet der literarisch-philosophische Nachlass von Selchows den zweiten Schwerpunkt des Bestandes. Von Selchow versuchte sich als konservativ-nationalistischer Denker an der Etablierung eines Zeitenmodells, das die Weltgeschichte in geistige Epochen einteilte, denen er bestimmte Entwicklungsschritte der Menschheit in geistiger, aber auch wissenschaftlicher, politischer, religiöser Hinsicht zuordnete. Er folgte damit einem Forschungstrend seiner Zeit. Sein Nachlass aus dieser Lebensphase als Geisteswissenschaftler umfasst Sammlungen von verschiedenartigen, oft losen Materialien, Texten, kleineren Publikationen, Zeitungsartikeln und eigenen Entwürfen, aber auch großen Schaubildern, welche die Grundlage bzw. Zwischenschritte der schriftstellerischen Arbeit darstellen: der Zettelkasten eines konservativ-nationalistischen Schriftstellers der 1920/30er Jahre, angereichert mit eigenen von teils veröffentlichten, teils unveröffentlichten Manuskripten. Die Überlieferung diese Materials, die sich anhand der Schaubilder nachvollziehen lässt, ist jedoch unvollständig, Materialien zu einzelnen Themenbereichen fehlen, wurden aber u. U. schlicht nicht angelegt. Hinweise auf andere Bestände BArch MSg 100 (Bogislav Frhr. von Selchow: Deutsche Marineoffiziere) BArch N 253/262 (Nachlass Alfred von Tirpitz, Schriftwechsel, Buchstabe S) BArch RM 5/920 (Kritik des Korvettenkapitäns von Selchow an Geburtstagsglückwunsch der Angehörigen des Admiralstabs für Großadmiral v. Holtzendorff, Jan. 1919) Vorarchivische Ordnung: Die sog. Logbücher liegen durchgehend für die Jahre 1897 bis 1931 vor. Das Bundesarchiv erwarb die Bände 39 bis 54 bereits 1957 zusammen mit dem nicht-militärischen Nachlass von Selchows und kaufte 1960 die restlichen Stücke der Marine-Offizier-Hilfe, heute: Marine-Offizier-Vereinigung, ab. Die ersten beiden Bände und Band 51 der ehemals insg. 68 Logbücher enthielten familienhistorische Informationen und fehlten bereits beim Erwerb des Nachlasses; während Band 1 sich weiterhin in Familienbesitz befindet, gilt Band 2 seit 1945 als verschollen. Ebenso verhält es sich mit den aus Unterlagen und Briefen bestehenden Hauptnachlass, der 1957 in Privathand vernichtet wurde. Ergänzt werden diese Bände durch die Kopien der „Logbücher" 61 bis 68 für den Zeitraum September 1935 bis Dezember 1940. Die Originale dieser Logbücher befinden sich weiterhin in Familienbesitz. Sie unterscheiden sich von den „Logbüchern", die für die Jahre bis 1931 vorliegen dadurch, dass sie ohne Text geblieben sind. Lediglich Bilder und Fotos wurden hier eingeklebt und auch nur diese Seiten kopiert und in den hier vorliegenden Nachlass übernommen. Diese Bestandsergänzung konnte 1987 in Kooperation mit von Selchows Neffen Wolfgang von Selchow, in dessen Besitz sich die „Logbücher" 61 bis 68 zu diesem Zeitpunkt befanden, durchgeführt werden. Trotz dieser Ergänzung klafft im Bestand eine Lücke, deren Zustandekommen anhand der vorliegenden Informationen nicht geklärt werden kann: Während über den Verbleib der Bände 1, 2 und 51 Informationen vorliegen, ist der Verbleib und der Inhalt der Bände 55 bis 60, die den Zeitraum Januar 1932 bis August 1935 abdecken, unbekannt. Zu den Erinnerungsbüchern tritt das literarisch-geschichtsphilosophische Archivgut, welches das geistige Schaffen von Selchows ab 1920 abdeckt. Die sog. Logbücher und das literarische Material verblieben nach dem Umzug des Militärarchivs nach Freiburg im Jahr 1968 aufgrund der literarischen Anteile zunächst bei der Hauptdienststelle in Koblenz. Erst 1976 kam der Nachlass nach Freiburg, wo in der Militärgeschichtlichen Sammlung unter der Signatur MSg. 100 bereits seit 1957 bzw. z. T. seit 1964 die sog. Wimpelbretter sowie die sog. Ehrentafeln lagerten - Personalbögen der deutschen Marineoffiziere von 1848 bis 1909 bzw. Kurzbiographien und Bilder aller zwischen 1914 und 1918 und in den Nachkriegskämpfen gefallenen und gestorbenen Offiziere der Marine. Zitierweise: BArch, N 428/...
Enthält u. a.: Florence Nightingale und ihr soziales Wirken; englische Parteien und Innenpolitik; englischer und deutscher Protestantismus im Verhältnis zum Katholizismus, Bismarcks Kirchenpolitik (21.10.1873 u.a.); Badischer Frauenverein und "Womens Rights"-Bewegung (2.7.1874 u.a.); Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen (10.7.1874 u.a.); Streiks in England und Deutschland (1.1.1879); Reise durch Deutschland 1819, kirchliche Verhältnisse, deutsche Enigungspolitik (13.6.1879); Zulu-Krieg (24.6.1879), erster Burenkrieg (10.1.1881 u.a.); irische Wanderarbeiter in England, irische Unruhen (10.1.1881 u.v.a.); Kolonialpolitik in Madagaskar, Beschäftigung des Sohnes Frédéric bei der siamesischen Botschaft in London ( (3.5.1883 u.a.); Lord [Robert] Salisbury und die englische Ägyptenpolitik (13.7.1884); deutsche Kolonialpoiltik in der englischen Presse (27.9.1884) Darin: Briefe der Ehefrau (o.D., 4./5.1881; 31.10.1881, 1.11.1881); Festbankett zu Ehren des liberalen Abgeordneten H. Verney (3.2.1883, Pressebericht);
Enthält u. a.: Florence Nightingale; englische Parteipolitik; Katholiken in Irland; Ägypten, Suez-Kanal, Iren in Amerika (28.1.1885); Sir Herbert Stewart [gest. 16.3.1885] und die englische Afrikapolitik (24.2.1885); Afghanistan (23.7.1885); Graf [Georg Herbert von] Münster und die deutschen Borschafter in London (25.9.1885); Madagaskar und die französische Kolonialpolitik (4.1.1886); sozialistische Unruhen in London, Wahlen in Irland (16.2.1886); Deutschland und die russische Expansionspolitik (8.11.1886); Siam und die Kolonialmächte (17.7.1893); Kohlenarbeiterstreik in England (27.10.1893) Darin: Gedicht zur Teilnahme Lord Harry Verneys an der Beerdigung Lord [Anthony] Shaftesbury (21.11.1885, Zeitungsausschnitt); Brief der Ehefrau (26.78.1889)
Geschichte des Bestandsbildners: Unter dem Vorsitz des Fabrikanten und kriegsversehrten Reserveoffiziers Franz Seldte erfolgte am 25. Dezember 1918 die Gründung des Stahlhelm in Magdeburg. Insbesondere ehemalige Soldaten und Offiziere des in Magdeburg kasernierten Infanterie-Regiments 66, dem auch Franz Seldte angehörte, zählten zu den ersten Mitgliedern. Zweck war in erster Linie die "Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung", sprich Selbstschutz- bzw. Polizeiaufgaben gegen revolutionäre Unruhen, weiterhin die "Pflege der im Felde begründeten Kameradschaft", die Interessenvertretung der ehemaligen Frontsoldaten und von deren Angehörigen (1) sowie Werbung für den Eintritt in die Freikorps. Knapp ein Jahr nach der Gründung, am 21. September 1919, konstituierte sich der Stahlhelm mit seinen bereits bestehenden Ortsgruppen sowie mit weiteren ähnlich agierenden Gruppierungen als Reichsbund der Frontsoldaten. Verwaltungssitz wurde zunächst Magdeburg (2). Dort fand am 14. März 1920 der 1. Reichsfrontsoldatentag statt, in dessen Verlauf Franz Seldte zum 1. Bundesführer des Stahlhelm gewählt wurde und den bisherigen Vorsitzenden Dr. Gustav Bünger ablöste (3). Diese Stellung behielt Seldte bis zur Auflösung des Bundes 1935 bei. In den beiden folgenden Jahren gelang dem Bund der allmähliche Ausbau seiner Organisation über Mitteldeutschland hinaus, so u.a. in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Pommern, Schlesien und Westfalen. Bekannte sich der Stahlhelm bei seiner Gründung zur neuen republikanischen Staatsform und als über den Parteien stehend, änderte sich das allmählich. Er näherte sich der politischen Rechten an, darunter der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), und richtete sich "deutsch-völkisch" aus. Hierbei spielte insbesondere die Hallenser Ortsgruppe unter ihrem Führer, dem DNVP-Funtionär Kurt Werner, eine tragende Rolle (4). Dieser Entwicklung wurde kurzzeitig Einhalt geboten mit dem infolge des Attentats auf Reichsaußenminister Walther Rathenau erfolgten Verbot des Stahlhelm in Preußen am 2. Juli 1922, das bis zum 26. Januar 1923 wirksam war. Im turbulenten Jahr 1923, das geprägt war von innenpolitischen Auseinandersetzungen, Ruhrbesetzung, Inflation, Hungersnot, separatistischen und kommunistischen Aufständen und dessen Höhepunkt der am 8./9. November in München stattfindende Hitler-Ludendorff-Putsch bildete, nahm die antidemokratische Ausrichtung des Stahlhelm mehr und mehr Gestalt an. Wiederum war der radikale Teil des Bundes, der Gau Halle, insbesondere dessen neuer Führer Theodor Duesterberg, führend daran beteiligt (5). Befürwortete man mittlerweile eine nationale Diktatur zur Stabilisierung der Verhältnisse, verhielt man sich Putschgelüsten gegenüber - zumindest in seinen offiziellen Verlautbarungen - allerdings ablehnend (6). Am 9. März 1924 wurde Theodor Duesterberg zum 2. Bundesführer neben Franz Seldte ernannt. In der offiziellen Darstellung als Meilenstein in der Stahlhelm-Geschichte dargestellt, war in der Realität das beiderseitige Verhältnis von wiederholten Differenzen geprägt. Mit der zunehmenden Etablierung der parlamentarischen Demokratie im Deutschen Reich machte man sich in der Führungsspitze des Stahlhelm nun Gedanken über die weitere Zukunft. Der Frontkämpferbund wollte mehr sein als nur ein reiner Veteranenverband. Er wollte den propagierten "Geist der Frontkameradschaft" dem gesamten Deutschen Volk "einpflanzen" (7). Unter dem Motto "Über die Organisation zur Macht" (8) weitete man seit dem Frühjahr 1924 seine Aktivitäten auf die Erfassung der Jugend (Jungstahlhelm und "Scharnhorst") und der Generation der über 24-jährigen (Stahlhelm-Landsturm, später Ringstahlhelm) aus, die nicht mehr am Ersten Weltkrieg hatten teilnehmen können. Hier stand v.a. die vormilitärische Ausbildung im Vordergrund, verstand sich der Stahlhelm doch auch als Reservoir der Reichswehr. 1929 gründete man darüber hinaus den Stahlhelm-Studentenbund "Langemarck", in dem die studentische Jugend zusammengefasst wurde. Das stetige Anwachsen des Bundes übte auf andere Verbände eine Anziehungskraft aus, was dazu führte, dass sie sich dem Stahlhelm anschlossen (9). Neben dem organisatorischen Ausbau versuchte der Stahlhelm auch anderweitig Einfluss zu nehmen auf die Politik der Weimarer Republik, allerdings unter strikter Betonung seiner "Überparteilichkeit". Zur Erreichung dieses Zieles dienten neben Massenveranstaltungen, Propagandaaktionen und Appellen an das vaterländische Pflichtgefühl auch dem Stahlhelm nahestehende Persöhnlichkeiten mit politischem Einfluss. Zum Ehrenmitglied ernannte man den Reichspräsidenten von Hindenburg. Die Wandlung von einer ursprünglichen Selbstschutzorganisation zu einem politischen Wehrverband nahm konkrete Formen an. Mitte der zwanziger Jahre wurde jedoch bald deutlich, dass der Frontkämpferbund mit seinem Prinzip des "über den Parteien Stehens" und seinem politischen Führungsanspruch oft in Widerspruch geriet. Man musste die außerparlamentarische Ebene verlassen, um in der Politik Gewicht zu erlangen. "Hinein in den Staat" lautete nun die Parole (10). Man vermied zwar die Gründung einer eigenen Partei, ging aber Bündnisse mit anderen ein, wie der DVP und den Deutschnationalen, zu denen seit jeher enge personelle Bindungen bestanden. So ließen sich Stahlhelm-Mitglieder bei den Reichs- und preußischen Landtagswahlen 1928 auf Listen der DNVP aufstellen (11). Dies blieben allerdings fruchtlose Versuche, die nur zu Konflikten führten, was die Bundesführung schließlich veranlasste, auf eigene Faust Politik zu führen (12). Zunächst präzisierte der Bund sein antirepublikanisch ausgerichtetes Programm in der ersten und zweiten "Stahlhelm-Botschaft" sowie der "Fürstenwalder Hassbotschaft" (13). Gemäß seinem Selbstverständnis sah der Bund sich als Speerspitze einer Freiheitsbewegung, deren Ziele "die äußere und innere Befreiung Deutschlands" sein sollten (14). Bei den 1927 und 1928 stattfindenden Frontsoldatentagen in Berlin bzw. Hamburg sowie auf etlichen weiteren Propaganda-Demonstrationen stellte der Stahlhelm seine Abneigung gegen die Republik öffentlich zur Schau. Eine Reihe unglücklicher Entscheidungen, zu denen das 1928 lancierte Volksbegehren zur Änderung der Verfassung sowie das Volksbegehren gegen den Young-Plan im Jahre 1929 gehören, im Zusammenwirken mit Meinungsverschiedenheiten in der Bundesführung und politischer Unerfahrenheit zeigten jedoch, dass den Aktivitäten des Stahlhelm auf diesem Gebiet Grenzen gesetzt waren. In der Folge kam es, insbesondere mit den erstarkenden Nationalsozialisten, zu Streitigkeiten darüber, wer die Führung im rechten Lager übernehmen sollte. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 wurde deutlich, dass der NSDAP die Führungsrolle zufiel. Vermehrt traten Mitglieder des Stahlhelm, zum Teil sogar ganze Ortsgruppen, in diese Partei und die ihr zugehörigen Organisationen (v.a. SA und SS) über. Die im Oktober 1931 in Bad Harzburg stattfindende Tagung der führenden Parteien und Verbände der Rechten und der Zusammenschluss zur "Harzburger Front" vermochten es nicht, die bestehende Kluft zu überbrücken. Bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 trat der Konkurrenzkampf zwischen NSDAP und Stahlhelm erneut zutage, indem beide eigene Kandidaten ins Rennen schickten: Adolf Hitler trat für die Nationalsozialisten an, Theodor Duesterberg für die Frontsoldaten (15). Nach dem für den Bund desaströsen Ausgang der Reichspräsidentenwahlen machte sich Ernüchterung breit. Der Stahlhelm legte seine politischen Ambitionen auf Eis und richtete nun sein Augenmerk wieder verstärkt auf Wehrsportaktivitäten und den Freiwilligen Arbeitsdienst, der als Wehrpflichts-Ersatz betrachtet wurde (16). Die Übernahme der politischen Macht durch die NSDAP im Januar 1933 wurde trotz aller Differenzen begrüßt. Unter anderem beteiligten sich etliche Stahlhelmer in der von Hermann Göring im Februar desselben Jahres gegründeten Hilfspolizei zusammen mit SA und SS an Gleichschaltungsmaßnahmen (17). Franz Seldte erhielt im Kabinett Adolf Hitlers den Posten des Reichsarbeitsministers (18). Im Juni 1933 begann die allmähliche Auflösung des Frontsoldatenbundes. Der Scharnhorst-Bund für Jugendliche bis 18 Jahren wurde in die Hitler-Jugend eingegliedert, während die über 18- bis 35-Jährigen als "Wehrstahlhelm" der SA unterstellt wurden. Infolge des enormen Mitgliederzuwachses wurde Ende 1933 eine Neuorganisation der SA befohlen. Im Zuge dessen kam nun auch der Kernstahlhelm (Mitglieder über 35 Jahre) als SA-Reserve unter deren Befehlsgewalt (19). Im März 1934 kam es zur Umgründung in den Nationalsozialistischen Deutschen Frontkämpferbund (Stahlhelm). Am 7. November 1935 erfolgte die endgültige Auflösung des Frontsoldatenbundes, nachdem er seit Beginn des "Dritten Reiches" nur noch ein Schattendasein geführt hatte. Im Jahre 1951 wurde in Köln erneut eine Organisation unter dem Namen Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten gegründet, zu dessen Bundesführer 1952 der ehemalige Generalfeldmarschall Albert Kesselring gewählt wurde. Anmerkungen (1) Vgl. Graff, Siegmund: Gründung und Entwicklung des Bundes, in: Der Stahlhelm. Erinnerungen und Bilder, Bd. 1, S. 30-32. (2) Vgl. ebd., S. 38. (3) Aufgrund des einen Tag vorher begonnenen, so genannten "Kapp-Putsches" war es jedoch nur eine Vorstandssitzung und keine Massenveranstaltung wie die späteren, bis 1933 jährlich stattfindenden Frontsoldatentage, s. Berghahn: Stahlhelm, S. 28. (4) Vgl. ebd., S. 31. (5) Duesterberg, ehemaliger Berufsoffizier, war bereits seit Ende 1919 Mitglied des Hallenser Stahlhelm und zugleich Geschäftsführer des Wahlkreises Halle-Merseburg der DNVP, s. Berghahn: Stahlhelm, S. 24-25. Am 21. April wurde er Führer des Stahlhelm-Gaus Halle. (6) Vgl. zu diesem Thema Berghahn: Stahlhelm, S. 39-53. (7) S. Graff: Gründung, S. 53 (8) S. Berghahn: Stahlhelm, S. 64. (9) So z.B. der Cherusker-und Westfalenbund im Oktober 1924 und der Bund Reichsflagge im Oktober 1927, s. Mahlke: Stahlhelm, S. 150, Sp. 2. (10) Dieser Begriff führte anfangs zu Missverständnissen im Sinne einer Hinwendung zur Republik. In Wirklichkeit wollte man den Staat von innen durchdringen und nach den eigenen Zielvorgaben umwandeln, s. Berghahn: Stahlhelm, S. 103; Mahlke: Stahlhelm, S. 149, Sp. 1; Graff: Gründung, S. 62-63. (11) Vgl. Berghahn: Stahlhelm, S. 109ff. (12) Vgl. ebd., S. 112. (13) S. Mahlke: Stahlhelm, S. 151, Sp. 2. (14) S. Graff: Gründung, S. 63. (15) Letztendlich gewann erneut Hindenburg mit 53% der Stimmen, s. Berghahn: Stahlhelm, S. 219. (16) Vgl. Berghahn: Stahlhelm, S. 232. (17) S. ebd., S. 252ff. (18) Dieses Amt bekleidete er, wenn auch ohne großen politischen Einfluss, bis zum Ende des Dritten Reiches. (19) Vgl. Mahlke: Stahlhelm, S. 155, Sp. 1-2. Bestandsbeschreibung: Geschichte des Bestands Mit der Auflösung des Stahlhelm 1935 gelangten die Akten der Bundesführung in das Reichsarchiv nach Potsdam. Der Bestand wurde ca. 1944/45 ausgelagert und entging somit der Zerstörung - das Reichsarchiv wurde am 14. April 1945 bombardiert. Die Akten verblieben nach dem Zweiten Weltkrieg in Potsdam, nunmehr im Bereich der Sowjetischen Besatzungszone gelegen, und wurden vom dort 1946 gegründeten Deutschen Zentralarchiv (DZA; später: Zentrales Staatsarchiv der DDR) übernommen. Sie wurden dort unter der Bestandssignatur 61 Sta 1 archiviert. Im Zuge der Wiedervereinigung der deutschen Staaten im Jahre 1990 gelangten die Unterlagen durch die Eingliederung des Zentralen Staatsarchivs der DDR schließlich in das Bundesarchiv. Das Bundesarchiv selbst hatte bis dato unter der Signatur R 72 nur geringfügige Schriftgutreste des Stahlhelm verwahrt, welche aus Privatbesitz erworben worden waren (siehe Gerhard Granier: Das Bundesarchiv und seine Bestände, 3. Aufl., Boppard 1977, S. 437). Archivische Bewertung und Bearbeitung Eine erste nachweisbare Bearbeitung des im Deutschen Zentralarchiv verwahrten ungeordneten Bestandes erfolgte in den Jahren 1957-1960. Erschwert wurden die Arbeiten dadurch, dass die Archive über keinerlei Organisationsunterlagen oder Aktenverzeichnisse des Stahlhelm verfügten. 1967 konnte das DZA durch die Vermittlung von V.R. Berghahn (Verfasser des Buches "Der Stahlhelm Bund der Frontsoldaten 1918-1935, Düsseldorf 1966) eine Kopie eines Abgabeverzeichnisses des Stahlhelm-Bundesamtes aus dem Jahre 1935 erwerben. Dieses Verzeichnis stammte ursprünglich aus dem Besitz von Dr. Heinz Brauweiler, zuletzt Leiter der politischen Abteilung des Stahlhelm-Bundesamtes, und sollte alle an das Reichsarchiv abzugebenden Akten aufführen. Mit Hilfe dieses Verzeichnisses konnte im Jahre 1970 die Erschließung nach den Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätzen für die staatlichen Archive der DDR abgeschlossen werden. Eine im Jahre 1967 erfolgte Revision der Akten der Klassifikationsgruppen 1 (Schriftverkehr der Bundesführung), 2 (Druckschriften) und 4 (Bilder) mit Hilfe des o.g. Abgabeverzeichnisses ergab folgendes Bild: Klassifikationsgruppen 1: Vorhanden: 193 Bände Fehlend: 28 Bände = ca. 12% Klassifikationsgruppen 2: Vorhanden: 117 Bände Fehlend: 55 Bände = ca. 47% Klassifikationsgruppen 4: Vorhanden: 70 Bände Fehlend: 33 Bände = ca. 32% Die v.a. bei den Gruppen 2 und 4 besonders hohen Verluste sind erklärbar mit einer vermutlich unvollständigen Abgabe an das Reichsarchiv sowie Einbußen während der kriegsbedingten Aus- bzw. Rücklagerung der Reichsarchivbestände. 2003 erfolgte durch die Umsignierung der ehemals in der Dienststelle Koblenz des Bundesarchivs verwahrten Überlieferung des Stahlhelm die Zusammenführung mit dem alten Potsdamer Teil unter der Bestandssignatur R 72. In der Folgezeit wurden die Daten aus den Findbüchern in eine elektronische Form überführt und in die Datenbank Basys übertragen. Da die Verzeichnungsdaten aus den Findbüchern nicht den modernen Erschließungsrichtlinien des Bundesarchivs entsprachen, war eine Überarbeitung der Daten erforderlich, die in den Jahren 2007-2011 durchgeführt wurde. Schwerpunkte waren die Bildung von Band- und Serienfolgen, Straffung der Enthält-Vermerke durch Hervorhebung des wesentlichen Inhalts, Überprüfung und Anpassung, teilweise Änderung der Klassifikation. Aus der Sammlung "NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR" wurden Akten der Provenienz Stahlhelm herausgelöst und in den Bestand R 72 integriert. Von diesen Arbeiten waren insbesondere die Klassifikationsgruppen 1-3 betroffen. Inhaltliche Charakterisierung: Der Bestand gibt v.a auf der Ebene der Bundesführung und der Landesverbände bzw. Gaue einen guten Einblick in die organisatorische Entwicklung des Stahlhelm und seiner ihm angegliederten Verbände sowie in seine Aktivitäten verschiedenster Art, v.a. von Anfang der zwanziger Jahre bis zur Auflösung 1935. Dabei stellen die Akten der Klassifikationsgruppen 1 und 3 den umfangmäßig größten Teil der Überlieferung zum Stahlhelm dar. Während in der Klassifikationsgruppe 1 zum einen die Korrespondenz der Bundesführung mit den Stahlhelm-Landesverbänden sowie anderen Verbänden, Organisationen und Privatpersonen, zum anderen die Akten zu den Frontsoldatentagen den inhaltlichen Schwerpunkt bilden, sind es in Gruppe 3 primär innen- und außenpolitische Fragen sowie Ereignisse zu Zeiten der Weimarer Republik bzw. zu Beginn des Dritten Reiches, die dokumentiert sind. Personenbezogene Unterlagen sind nur insofern in größerem Umfang vorhanden, als es sich um höherrangige Mitglieder des Stahlhelm oder aber um Personen der Zeitgeschichte bzw. des öffentlichen Lebens handelt. Mitgliederlisten bzw. Ausweise von Ortsgruppen sind nur in äußerst geringer Menge Teil des Bestandes. Erschließungszustand: Findbuch Nachträge in Datenbank Umfang, Erläuterung: 2336 AE Zitierweise: BArch, R 72/...