Über die Kurrentschrift

Die deutsche Kurrentschrift ist eine Schreibschrift. Sie war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts (in der Schweiz bis Anfang des 20. Jahrhunderts) die allgemeine Verkehrsschrift im gesamten deutschen Sprachraum. Sie wird auch deutsche Schreibschrift oder deutsche Schrift genannt. Der Begriff „deutsche Schrift“ kann sich jedoch auch auf bestimmte gebrochene Satzschriften beziehen. Die deutsche Kurrentschrift ist nur eine der gotischen Schriften. Sie unterscheidet sich außerdem von der Sütterlinschrift. Letztere wurde erst 1915 in Preußen eingeführt. Es gibt mehrere Gründe, warum es in Deutschland zu dieser besonderen Schreibschrift kam. Eine zentrale Rolle spielte dabei die historische Entwicklung in den deutschen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert Wikipedia.

Viele Dokumente in den Archiven sind handschriftlich abgefasst. Die Schreibmaschine Wikipedia wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts häufiger in der Verwaltung benutzt. Und auch dann war sie noch nicht überall zu finden. Besonders in den weitab gelegenen Stationen in den Kolonien wurden viele Berichte noch jahrelang mit der Hand geschrieben.

Die folgenden Absätze geben Hinweise darauf, wie beim Entziffern der Kurrentschrift schnell Resultate erzielt werden können. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie auch bei geringen Deutsch-Kenntnissen angewendet werden.

Ein wichtiger Hinweis vorab: Die deutsche Kurrentschrift ist erlernbar. Viele Elemente daraus finden sich auch in der heute gebräuchlichen lateinischen Schreibschrift!

Tipps zum Lesen

  1. Am besten sollte beim Üben mit einfachen und kurzen Textbeispielen begonnen werden. Das sind zum Beispiel Tabellen oder ausgefüllte Formularvordrucke. Hier lassen sich schnell Erfolge erzielen. Bei längeren Texten ist es besser, zunächst mit den Ausfertigungen Wikipedia zu beginnen. Beim Schreiben von Ausfertigungen wurde in der Regel mehr Mühe aufgewendet, da diese Dokumente von fremden Personen gelesen werden mussten.
  2. In der Regel wurden nur deutsche Worte auch in deutscher Kurrentschrift geschrieben. Das ist bei Texten im kolonialem Zusammenhang sehr nützlich, da z.B. die Namen von Landschaften, Personen oder Sprachen ergänzend dazu in lateinischer Schreibschrift geschrieben wurden.
  3. Es gibt sehr viele Übersichten zu den einzelnen Buchstaben des Alphabets. Ein Beispiel findet sich weiter unten auf dieser Seite.
  4. Viele Buchstaben ähneln sehr stark denen in der lateinischen Schrift, z.B. f, g, i, j, l m, n, o, q, r, t, C, F, I, J, K, L oder O.
  5. Die Wörter der deutschen Sprachen bestehen zu 61% Wikipedia nur aus den Buchstaben e, n, i, s, r, a und t! Nimmt man noch d, h und u dazu, decken diese 10 Buchstaben über 75 % aller Buchstaben in deutschen Wörtern ab! Anders ausgedrückt: Wer diese 10 Buchstaben erkennt, kann bereits drei Viertel aller Zeichen in einem Text entziffern. Hier sind diese Buchstaben nochmals in Kurrentschrift dargestellt: e, n, i, s, [ſ ], r, a, t, d, h, u.
  6. Der Buchstabe S ist etwas Besonderes, denn es gibt ihn als Kleinbuchstabe zweimal, als kurzes s (s) und als langes s (ſ). Die wichtigste Regel dazu lautet, dass das kurze s am Ende von Silben oder am Wortende und das lange s an den übrigen Plätzen benutzt wird. Einige Ausnahmen Wikipedia von dieser Regel gibt es allerdings. Da das kurze s somit nie am Wortanfang steht, gibt es davon auch keinen Großbuchstaben.
  7. Einige Buchstaben sind an den zusätzlichen Zeichen sehr gut zu erkennen. Dazu gehört der Punkt auf dem i und dem j, die Doppelstriche über dem ä, ö und ü und dazu gehört insbesondere der kleine Kreis (oder Haken) über dem u. Nach einer kurzen Überprüfung des Raumes oberhalb der eigentlichen Buchstaben, lässt sich also schon sagen, ob ein u, i, j, ä, ö oder ü im Wort existiert. Bei u und i ist das sehr wichtig, da sie leicht mit e, n, oder m verwechselt werden können. Sichtbar wird das zum Beispiel bei der Unterscheidung der Wörter meine und nimm. Oder bei mir und nur (meine - nimm ; mir - nur). Außerdem kann in der Wortmitte ein Überstrich (Verdopplungsstrich) über oder stehen. Er ist eine Abkürzung für die doppelte Schreibung dieses Buchstabens.
  8. Es ist praktisch, sich die Unterschiede zwischen ähnlichen Buchstaben einzuprägen. Zum Beispiel haben s, f, h und ß allesamt Ober- und Unterlängen:ſ, f, h, ß . Den Unterschied machen hier die Schleifen aus. Beim h (h) wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass in der Unterlänge eine schöne offene Schleife sichtbar ist. Die anderen drei Buchstaben haben diese Schleife nicht. Das s (ſ ) hat auch keine Schleife in der Oberlänge und das ß (ß) ist eigentlich nur eine Zeichenkombination Wikipedia, die mit einem langen s beginnt.
  9. Beim d (d ) und dem kurzem s (s) weisen die oberen „Fähnchen“ jeweils in eine andere Richtung. Deutlich wird das beim Vergleich von uns und und (uns - und).
  10. Das Wort und gehört aber zugleich auch zu den häufigsten Wörtern im Deutschen Wikipedia überhaupt. Zusammen mit 99 anderen Wörtern bildet es 47 % der deutschsprachigen Texte! Auch hier ist es empfehlenswert, sich zumindest die 30 häufigsten Wörter etwas genauer anzuschauen. Sie tauchen praktisch überall auf.
  11. Eine Besonderheit sind die Ligaturen mit c, also ch, ck und vor allem sch. Das c verliert hier sein oberes Häkchen und ist nun leicht mit einem i (ohne Punkt) zu verwechseln. Eine elegante Lösung ist es, sich die Ligaturen als Einheit einzuprägen. Nach einiger Übung springt z.B. die charakteristische Form des sch () sofort ins Auge. Die verbleibenden „Lücken“ lassen sich dann schnell schließen.
  12. Bei den Großbuchstaben gibt es erfahrungsgemäß die größten individuellen Abweichungen. Es ist durchaus möglich, einen Buchstaben vorzufinden, der in dieser Form in keiner alphabetischen Übersicht existiert. Eine gute Lösung für dieses Problem ist es, zu schauen, wo im vorliegenden Text der gleiche Buchstabe noch einmal verwendet wird. Mitunter ist dieses Wort dann leichter zu entziffern und auf dieser Weise lüftet auch der Problembuchstabe sein Geheimnis.
  13. Mitunter ist es hilfreich, das problematische Wort mit Stift auf Papier zu schreiben und die Linienführungen zu vergleichen. Dadurch lassen sich recht schnell bestimmte Vermutungen über Buchstaben ausschließen. Eine gute Übung ist es auch, zur Übung den eigenen Namen aufzuschreiben.
  14. Eine korrekte Orthographie ist wichtig, um Kurrentschrift gut lesen zu können. Hierbei gibt es zwei Arten von Ausnahmen. Die erste ist, dass beim Schreiben wirklich ein Fehler unterlaufen ist. Im zweiten Fall sind die scheinbaren orthographischen Fehler gar keine Fehler! Im 19. Jahrhundert galten noch andere Rechtschreibregeln in Deutschland. Häufig ist zum Beispiel das h in Wörtern wie Thal oder Mittheilung anzutreffen. Es wurde in Folge der Rechtschreibreform von 1901 Wikipedia gestrichen. Daher ist von Vorteil, bei der Transkription und Übersetzung von alten Texten auch alte Wörterbücher zu benutzen.
  15. Alte Wörterbücher helfen auch dabei, alte längst nicht mehr gebräuchliche Begriffe zu entziffern.
  16. Wer viel schrieb, hat auch häufig Abkürzungen verwendet. Einige Abkürzungen aus der damaligen Zeit werden heute kaum noch verwendet. Dazu gehören zum Beispiel d.J. (d.J. - diesen Jahres), v.J (v.J. - vorigen Jahres), d.M. (d.M. - diesen Monats) oder v.M. (v.M. - vorigen Monats).
  17. Diese Tipps sollten genügen, um die meisten Texte entziffern zu können. Und auch, wenn die Kopie einmal schlecht lesbar sein sollte oder der Text nicht sauber geschrieben wurde - mit etwas Geduld geben auch sie ihren Inhalt preis.

Das Alphabet

KurrentLateinBeispiel¹Beispiel
aaKamerunKamerun
bbaberaber
ccauauch
ddundund
eeeinein
fffürfür
gggehengehen
hhheuteheute
iizweizwei
jjjungjung
kkkleinklein
llallealle
mmder Stammder Stamm
nnder Eingeboreneder Eingeborene
oodie Polizeitruppedie Polizeitruppe
ppder Häuptlingder Häuptling
qqdurquerendurchqueren
rrdas Geritdas Gericht
s,ſsſein Haussein Haus
ttdas Hinterlanddas Hinterland
uudie Miheilungdie Mittheilung²
vvvonvon
wwdie Feuerwaffedie Feuerwaffe
xxdie Expeditiondie Expedition
yyder Boyder Boy
zzfranzöſifranzösisch
äädie Sägedie Säge
öödie Bevölkerungdie Bevölkerung
üüſüdlisüdlich
ßßdie Maßnahmedie Maßnahme
AAdie Arbeitdie Arbeit
BBder Bergder Berg
CCdas Chinindas Chinin
DDder Dungelder Dschungel
EEdas Elfenbeindas Elfenbein
FFdie Faktoreidie Faktorei
GGder Gouverneurder Gouverneur
HHdas Haumeſſerdas Haumesser
IIdas Inneredas Innere
JJdie Jagddie Jagd
KKder Kautukder Kautschuk
LLder Leiterder Leiter
MMder Marder Marsch
NNdie Natwaedie Nachtwache
OOdas Ohrdas Ohr
PPdas Palmöldas Palmöl
QQdie Quelledie Quelle
RRdie Regierungdie Regierung
SSder Spiegelder Spiegel
TTder Trägerder Träger
UUdas Uferdas Ufer
VVdas Volkdas Volk
WWder Wegder Weg
XXXaverXaver
YYder Yamsder Yams
ZZdie Zaubereidie Zauberei
ÄÄdas Äußeredas Äußere
ÖÖdas Öldas Öl
ÜÜdie Übelkeitdie Übelkeit

¹ Die gewählten Beispiele entsprechen typischen Wörtern in Dokumenten mit thematischem Bezug zu den Kolonien
² neue Orthographie: die Mitteilung